Der Apostelbrief

August - September 2000
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Handy unser,

das immer ist in unserer Tasche,
nichts mache dir deinen Rang streitig,
die Totalvernetzung komme bis in die letzte Talsenke,
der Wille der Netzbetreiber geschehe und fülle ihren Beutel,
wie in den Großstädten, so auch auf dem platten Land.
Unsere monatliche Karten-Aufladung gib uns immer,
und vergib uns die Momente der Abschaltung
und das versehentliche Leer-Werden des Akkus,
wie auch wir vergeben dir gelegentliche Empfangsstörungen.
Und führe uns nicht in Versuchung durch noch tollere Angebote
der Konkurrenz oder das Bedürfnis nach Ruhe.
Denn dein ist die Zukunft, die Macht der Veränderung
und das Glück grenzenloser Kommunikation.
AMEN

Was ich hier mit ironischem Augenzwinkern formuliert habe, liebe Gemeinde, soll nicht heißen, daß ich die modernen Kommunikationsmedien ablehne. Gerade jetzt in der Urlaubszeit kann sich ein Handy als durchaus segensreich erweisen. Selbst auf einsamen Wanderungen ist Hilfe schnell geholt, genauso wie der Pannendienst auf abgelegenen Straßen etc. Was allerdings in Erstaunen versetzt ist, dass immer jüngere Menschen schon unbedingt ein solches Telefon für sich beanspruchen. Jeder will ständig erreichbar sein.

Ein uraltes Grundbedürfhis käme darin zum Ausdruck, schrieb ein Fachmann. Das Bedürfnis, an ein größeres Ganzes angeschlossen zu sein. Das ist aber eigentlich eine religiöse Empfindung. Schließlich steckt im Wort »Religion«, das Verb »ligare« für verbinden, »verkabeln«.

Ganz schön religiös, unsere Zeitgenossen. Finden Sie nicht?

Eine schöne Sommerzeit wünscht Ihnen,

Ihr Pfarrer Johannes Riedel