Der Apostelbrief

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Christentum und Wirtschaft – eine erste Annäherung?

Luther

In der Zeit vor Weihnachten lohnt es sich darüber nachzudenken, inwieweit wir Christen uns wieder am „Weihnachts­geschäft“ beteiligen und damit unseren Anteil am Wirtschaftswachstum so auch zu einer sozialen Marktwirtschaft leisten. Kontinuierliches Wirtschaftswachstum ist nach wie vor das Ziel kapitalistisch ausgerichteter Regierungen. Es stellt sich hier die Frage, ob dieses Denken eine langfristige Zukunftsperspektive hat.

Unser Landesbischof und Vorsitzender des Rates der EKD Heinrich Bedford-Strohm fordert diesbezüglich zu einem Umdenken und Umsteuern auf: „Es führt kein Weg vorbei an einer grundlegenden Transformation der Wirtschaft“. Die Form der wirtschaftlichen Entwicklung, die vielen jedoch nicht allen Menschen bessere Lebensbedingungen und auch Wohlstand gebracht hat und traditionell am Zuwachs des Bruttosozialproduktes gemessen wird, nähert sich seiner Meinung nach dem Ende. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) unterstützt diesen Ansatz und hat 2011 ein Gutachten zum Thema „Welt im Wandel-Gesellschaftsvertrag für die Große Transformation“ erstellt. Als wichtigstes Ziel wird die Reduktion der CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Energieträger genannt. Das zweite große Ziel ist die Überwindung der weltweiten Energiearmut, wobei von einer Kernenergienutzung explizit abgeraten wird. Die Transformationsstrategie des WBGU sieht vor, eine Richtungsänderung nicht erst als Reaktion auf Krisen und Katastrophen vorzunehmen, sondern einen umfassenden Umbau aus Einsicht, Umsicht und Voraussicht voranzutreiben. Dieser Gesellschaftsvertrag soll eine Kultur der Achtsamkeit aus ökologischer Verantwortung mit einer Kultur der Teilhabe als demokratische Verantwortung sowie einer Kultur der Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen im Sinne der Zukunftsver- antwortung kombinieren.

In einem Wort des Rates der EKD zur globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise aus dem Jahre 2009 wurde festgestellt, dass eine neue Ordnung als Ziel eine Wirtschaft braucht, die den Menschen heute dient, ohne die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu zerstören. Ebenso sollte sich eine Weltgesellschaft die Verbesserung der Situation der ärmsten und schwächsten Mitglieder zu ihrer vorrangigen Aufgabe machen.

Eine Idee bezüglich eines möglichen zukünftigen verantwortlichen Umganges z.B. mit dem Geld lieferte uns bereits Martin Luther vor 500 Jahren in seinen wirtschaftsethischen Schriften. In diesen stellte er fest, dass das Geld in der Gesellschaft die alles bestimmende Macht sei und sich zur dämonischen Macht entwickeln kann und daher von der Theologie zu bekämpfen sei. In einem Aufsatz zum Thema „Luther und das Geld“ kommt Diakon Hartmut Reimers aus der Landeskirche Hannover zu dem Schluss, dass Luthers Aussagen über das Geld und das Wirtschaften zu seiner Zeit aus dem Zentrum seiner Theologie einzubinden und zu deuten seien. Von daher begründeten sich Luthers wirtschaftsethische Aussagen und Schriften, da alles menschliche Handeln und insbesondere auch das ökonomische Handeln für Luther unter dem Vorrang und Maßstab des christlichen Glaubens stünden. Luther sah das Ende einer Gesellschaft dann voraus, wenn diese auf Ausbeutung, Preistreiberei und Wucher ausgerichtet wäre. Spiegelt sich hier nicht unser kapitalistisch ausgerichtetes Wirtschaftssystem wider, das aktuell unter dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft firmiert und sowohl dem Wohlstand als auch dem Nutzen der Menschen dienen soll?

Übertragen auf das 21. Jahrhundert heißt das für Diakon Reimers, dass die wirtschaftsethischen Schriften von Martin Luther durchaus auch heute wieder gelesen werden sollten. Ehrliches Geld und ehrliche Arbeit sind für Luther der Bestandteil von Lebensunterhalt und Gottesbeziehung und damit die Ingredienz der Schöpfung. Diese Schöpfungsordnung sah er durch die zunehmende anonyme Abhängigkeit vom Geld gefährdet.

Auf die Kirche übertragen heißt das z.B., dass das Fundraising mit seinen vielfältigen Instrumenten in unseren Kirchen mehr als bisher als „Faithraising“ im Sinne einer guten Haushalterschaft praktiziert und theoretisch durchdrungen werden soll. Jede Gabe und Spende die unsere Kirche erreicht, ist ein schöpferischer Wirkkreislauf. Dieser besteht aus: Annehmen, Erwidern, ein Wiedergeben und Weitergeben. So ließe sich Luthers Schöpfungskreislauf aus dem ersten Artikel des kleinen Katechismus als Gabenkreislauf für das Gemeinwohl in einer gut gemeinten Schöpfung auch im Fundraising nachzeichnen. Ebenso soll sich jede kirchliche Stiftung fragen, die ihr Kapital anlegt um es „natürlich“ zu steigern, ob sie sich solche Anlagenformen wählt, die der „Billigkeit“ nach Luther entsprechen. Nach Luther stellt insbesondere die Nächstenliebe eine Orientierung für wirtschaftliches Handeln dar. Das Woher, Wofür und Wohin etwaiger Zinserträge ist unter diesem Maßstab zu prüfen, zu belegen und zu erklären. Nach Luther ist Evangelium und Ethik immer untrennbar miteinander verbunden. Jedes persönliche und unternehmerische Wirtschaften muss sich daher fragen lassen, ob es dem Gemeinwohl und dem Nächsten dient.

Im Hinblick auf den Warenhandel zwischen Industrie und Entwicklungsländern und die auch damit zusammenhängenden globalen ökologischen Probleme, gehört die Frage nach gerechten Löhnen, umweltgerechter Produktion und entsprechender Entsorgung sowie die nach gerechten Preisen immer wieder auf die Tagesordnung nationalen und internationalen Handelns. Diese Frage ist auch eine Frage nach der Verträglichkeit des gesamtökonomischen Systems und impliziert die Verantwortbarkeit individueller Entscheidungsmöglichkeiten in Freiheit. Hier schließt sich der Kreis zu Heinrich Bedford-Strohm, der ein Wirtschaftswachstum um jeden Preis ablehnt und ein grundsätzliches Umdenken von einer rein kapitalistisch ausgerichteten zu einer gerechten und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft fordert.

-HS-



Quellen:
www.bayern-evangelisch.de/was-uns-bewegt/wachstum-um-jeden-preis.php
www.bayern-evangelisch.de/downloads/ELKB-Wie-ein-Riss-in-einer-hohen-Mauer-2014.pdf
de.wikipedia.org/wiki/Welt_im_Wandel_-_Gesellschaftsvertrag_für_eine_Große_​Transformation