Der Apostelbrief

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Säkularisierung - verdunstet der Glaube?

Im Rahmen des diesjährigen ökumenischen Rätetreffens präsentierte uns Frau Dr. Schwarz, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Universität Würzburg einen Vortrag zum Thema »Säkularisierung«. Da die Referentin in den neuen Bundesländern aufgewachsen war, befasste sie sich in ihrem Vortrag überwiegend mit den aktuellen Herausforderungen und Chancen für die evangelische Kirche in den neuen Bundesländern.

Interessant ist die religiöse Situation in Deutschland mit einem Anteil von etwa 25% Konfessionslosen und jeweils etwa 24% katholischen und evangelischen Gemeindemitgliedern. Auffällig hierbei ist der kontinuierliche Rückgang der Kirchenmitgliedszahlen. Allein in den Jahren 1972-2002 hat die evangelische Kirche über 5 Millionen Mitglieder verloren. Die Ein- und Austritte finden derzeit bei der katholischen Kirche in einem Verhältnis von 1:8 gegenüber der evangelischen Kirche von 1:2 statt. Die abnehmende Bindekraft der großen Kirchen ist ein europäisches Problem, wobei die Nähe zu Kirchlichkeit stetig abnimmt, jedoch gerade in den alten Bundesländern nicht zwingend mit der Abnahme des Glaubens einhergeht. Viele glauben nach wie vor an Gott, aber nicht zwingend an einen personalen, der das Leben begleitet, sondern eher unspezifischer an eine höhere Macht. Unter Wissenschaftlern wird diese Entwicklung kontrovers im Rahmen der sogenannten Säkularisierungstheorie diskutiert.

Säkularisierung bedeutet allgemein jede Form von Verweltlichung. Für manche Gruppen steht Säkularisierung auch als Synonym für »Entchristlichung«. Kritiker der Säkularisierungstheorie wie Knoblauch oder Luckmann betonen, dass es zwar einen Wandel herkömmlicher religiöser Formen gebe, nicht aber einen Bedeutungsverlust. Nach Hubert Knoblauch, einen Religionssoziologen aus Berlin, gibt es sogar einen Anstieg allgemeiner Spiritualität und populärer Religiosität in einer neuen kulturellen Ausdrucksweise. Dazu gehören zum Beispiel virtuelle Friedhöfe, der Engelsglauben und Foren, in denen sich über besondere Transzendenzerfahrungen unterhalten wird.

Neben den säkulartheoretischen Überlegungen wird als weiterer Effekt der demographische Wandel aus dem ungünstigen Verhältnis zwischen Taufen und Sterbefällen diskutiert, der sich insbesondere in den neuen Bundesländern in den Städten auswirkt, wobei die evangelische Kirche mehr betroffen ist als die katholische. Und schließlich wird das sogenannte »Marktmodell« gehandelt, was bedeutet, dass das unattraktive Angebot der existierenden Kirchen Grund für die Abwendung oder Distanz der Nochkirchenmitglieder zur Kirche sei. Mit Blick auf die Kirchenaustritte werden langfristig wirksame wie Modernisierung und Wertewandel und kurzfristige Prozesse wie Kirchensteuer und Skandale unterschieden. Für die Austretenden ist oft die Religion und/oder die Kirche für ihr persönliches Leben nicht mehr relevant.

In Ostdeutschland sind 70% der Bevölkerung konfessionslos, ca. 23% evangelisch und 3-4% katholisch. Die Wurzeln dieser Entkirchlichung reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Weite Teile Mitteldeutschlands wiesen bereits eine sehr geringe Kirchenbindung auf, was vor allem auf die Arbeiterschaft und auf die ländlichen Gebiete galt. Obwohl viele Mitglieder zwar noch die Rituale und Kasualien in Anspruch genommen haben, hatten sie sich oft jedoch innerlich von der Kirche bereits verabschiedet. Man nennt dies auch »innere Säkularisierung«. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den massiven politischen Druck in der DDR, in dessen Folge in den 50er Jahren eine massive Austrittswelle folgte. Das kommunistische System versuchte mit Atheismuskampagnen eine neue gesellschaftliche Ordnung zu schaffen. Religion wurde unsichtbar. In der weiteren Entwicklung wurde diese Konfessionslosigkeit schließlich sogar vererbt.

Nach 1989 hatte man im Osten gehofft, dass die positive Rolle der evangelischen Kirche während der friedlichen Revolution und der Zuspruch, den die Montagsdemos auch bei den Nichtchristen hatten, zu einer positiven Entwicklung beitragen würden. Auf westlicher Seite hatten viele die Vorstellung, dass im Osten ein religiöses Vakuum vorherrschen müsste und Sekten die Armen aus den fast neuen Bundesländern verführen würden. Beide Erwartungen haben sich nicht bestätigt. Das Fehlen des religiösen Bereiches wurde und wird bei den meisten nicht vermisst. In dem Zusammenhang kann oft das Zitat von Karl Rahner gelesen werden, wonach vergessen wurde, dass Gott vergessen wurde. In einer Reihe von Initiativen wird seit der Wende versucht, die Situation der östlichen Landeskirchen zu verbesern.

Zum Beispiel ist das Positionspapier »Kirche mit Hoffnung« aus dem Jahr 1998 zu nennen, das unter dem Schirm der EKD entwickelt wurde. Deutlich beteiligt sind die Landeskirchen auch am kirchlichen Reformprozess unter dem Titel »Kirche im Aufbruch«, der aus einer Diskussion des kirchlichen Impulspapieres »Kirche der Freiheit« 2007 und der 2009 in Kassel stattfindenden Zukunftswerkstatt resultierte. Auch sind die wissenschaftlichen Arbeiten zu erwähnen, die sich mit religiöser Bildung, Erziehung und Sozialisation in einem säkularisierten und konfessionslosen Umfeld empirisch und theoretisch befassen. Besonders ist die steigende Bedeutung von evangelischen und katholischen Klöstern und evangelischen Bildungseinrichtungen zu nennen. Einen interessanten Ansatz bietet z.B. in Mecklenburg-Vorpommern das Projekt TEO – die Tage der ethischen Orientierung, im Rahmen derer eine offene, wertschätzende und interessierte Begegnung mit Konfessionslosen stattfinden soll

Säkularisierung

In Bayern gehört die große Mehrheit der Bevölkerung zu den christlichen Kirchen, wobei auch hier die Mitgliederzahl langsam sinkt und der Anteil Konfessionsloser derzeit bereits etwas höher ist als die Evangelischen. Insgesamt zehrt das Bundesland jedoch von dem großen christlichen Erbe, dazu trägt auch die enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche bei und auch die Übereinstimmung der Fläche von Landeskirche und dem Bundesland. Trotzdem gehen auch hier die Auswirkungen der Rationalisierung, Urbanisierung und der demografische und gesellschaftliche Wandel an Bayern nicht vorbei.

-HS-

(Quellen: Vortragsmanuskript Dr. Schwarz, http://de.wikipedia.org/wiki/Säkularisierung)