Der Apostelbrief

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Gemeinsamkeit

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Wenn man mit der Familie in den Urlaub fährt und vielleicht noch Oma und Opa als Babysitter mitnimmt, dann ist es gar nicht so leicht, ein Urlaubsprogramm zu finden, dass alle zufriedenstellt. Opa möchte eigentlich nur in Ruhe ein Buch lesen, Oma interessiert sich für die Schlösser und Burgen der Umgebung, Mama und Papa wollen wandern und die Kinder wären vollkommen zufrieden, wenn sie jeden Tag von früh bis spät im Freibad sein könnten.

In einer Kirchengemeinde ist es oft ganz ähnlich. Wie in einer Familie treffen sich hier ganz unterschiedliche Menschen: Alte und Junge, Familien und Alleinstehende, Handwerker und Studierte. Und wie in einer Familie kann man sich auch seine Glaubensgeschwister nicht aussuchen.

Es ist gar nicht so einfach, für eine so vielfältige Gemeinde Angebote zu machen, die möglichst vielen ihrer Mitglieder zusagen. Ist der Gottesdienst zu modern, meutern die Alten – mit Ausnahmen natürlich. Ist er zu traditionell, bleiben die Jungen weg – wieder mit Ausnahmen. Deshalb werden an manchen Orten spezielle Gottesdienste für die einzelnen »Fraktionen« der Gemeinde angeboten: Krabbelgottesdienst, Seniorengottesdienst, TeenChurch, Gottesdienst für alleinstehende Mittzwanziger mit mittlerem Bildungsabschluss.

Aber wo bleibt da die Gemeinde, die Gemeinschaft der Heiligen, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist? Die bleibt so auf der Strecke.

Recht diskret, ziemlich hinten im Buch der Psalmen kann man zu diesem Thema lesen: »Lobet den Herrn auf Erden [...] ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden, Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen« (Psalm 148, 7.11.12). Von Lob in separaten Veranstaltungen für Könige und Volk, Alte und Junge, ist hier nicht die Rede. Im Gegenteil: »Alte mit den Jungen« sollen Gott loben.

Damit das klappt, müssen sich alle Gemeindeglieder aufeinander einlassen und auch Dinge tolerieren, auf gut Deutsch also ertragen, die nicht dem eigenen Stil entsprechen, anderen aber dazu helfen, Gott zu loben. Es bedeutet nicht den Untergang des Abendlandes, wenn ein englisches Lied im Gottesdienst erklingt und selbst dem coolsten Teenager bricht kein Zacken aus der Krone, wenn er den gesungenen Introitus mitbetet.

Entscheidend ist, dass sich alle Gemeindeglieder in ihrer Kirche wiederfinden und die Chance haben, die Gegenwart Gottes so zu erleben, wie es ihrem Wesen entspricht. Dann können wir alle voneinander profitieren und erfahren »es sind viele Glieder, aber der Leib ist einer« (1. Kor. 12,20).

-pv-