Der Apostelbrief

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Was wäre, wenn ...

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... Christoph Columbus sich nicht getraut hätte, einfach nach Westen zu segeln, ohne genau zu wissen, ob dort wirklich Indien zu finden ist. Was wäre, wenn Nikolaus Otto es nicht gewagt hätte, in seinem Labor Benzin zur Explosion zu bringen und so den später nach ihm benannten Verbrennungsmotor zu erfinden. Die Weltgeschichte ist immer wieder davon abhängig, dass einzelne Menschen den Mut haben, bestimmte Dinge zu wagen.

Auch die christliche Kirche brauchte immer wieder Menschen, die sich etwas außergewöhnliches getraut haben. Als die Apostel am ersten Pfingstfest anfingen, in allen möglichen Sprachen das Evangelium zu predigen, haben sie sich nicht nur dem Verdacht ausgeliefert, sturzbesoffen zu sein, sondern sich auch in Lebensgefahr gebracht. Die Kreuzigung Jesu war schließlich noch keine zwei Monate her.

In der Apostelgeschichte kann man nachlesen, dass dieser Mut der Apostel einen ganz bestimmten Grund hatte: sie waren erfüllt vom Heiligen Geist, dem Geist des lebendigen Gottes. Deshalb konnten sie sieben Wochen nach der Katastrophe des Karfreitags vor allen Menschen in Jerusalem die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi verkündigen – und das in einer Art und Weise, die die Menschen verstanden.

In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten hat der Heilige Geist die junge Kirche nicht vor immer neuen Verfolgungen bewahrt, aber er hat Christinnen und Christen Kraft und Mut gegeben, zu ihrem Glauben zu stehen, was es auch koste.

Welche Konsequenzen es hat, wenn die Kirche zu sehr auf ihre eigene Kraft vertraut, verdeutlicht eine Anekdote: Der Kirchenvater Thomas von Aquin hatte eine Audienz beim Papst und sah auf dessen Tisch eine Menge Goldmünzen liegen. Der Papst sah Thomas' missbilligenden Blick und verteidigte sich: »Die Zeiten haben sich geändert. Die Kirche kann nicht mehr wie Petrus sagen 'Silber und Gold habe ich nicht'«. »Wohl wahr«, antwortete Thomas, »aber die Kirche kann auch nicht mehr zu den Lahmen sagen 'Steh auf und geh umher!'«“.

Auch heute braucht die Kirche wie zu allen Zeiten den Heiligen Geist, um ihren Auftrag zu erfüllen, den Menschen das Evangelium zu predigen. Die Erfahrung der letzten zweitausend Jahre zeigt: eine Gemeinde, die sich nur auf ihre eigene Tatkraft und ihre eigenen Ideen verlässt, wird über kurz oder lang scheitern. Dort, wo sich Menschen für das Wirken des Heiligen Geistes öffnen, entstehen lebendige, wirksame und einladende Gemeinden.

Einen Haken hat die Sache allerdings: der Geist Gottes führt uns gelegentlich in eine ganz andere Richtung, als wir es uns vorgestellt hatten.

-pv-