Der Apostelbrief

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Auf ein Wort

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Liebe Gemeinde,

evangelisch war die überwiegende Mehrheit der Bundespräsidenten in unserer Geschichte. Mit Joachim Gauck hat die Bundesversammlung aber erstmals einen evangelischen Pfarrer ins höchste Staatsamt gewählt. Ist es denn von Bedeutung, dass er von Hause aus Geistlicher ist?

Ich glaube schon. Nicht weil er es gewohnt ist, zu predigen. Wobei ein wenig Praxis in Rhetorik in diesem Amt nicht schaden kann. Nein, in der Hauptsache wohl deswegen, weil er es gewohnt ist, dem Leben Bedeutung abzugewinnen und beizumessen. Einem Pfarrer ist das Leben mehr als eine Aneinanderreihung von Zufälligkeiten. Es hat Bedeutung.

Große Bedeutung hat ihm – darüber ist viel geschrieben worden – die Erfahrung geschenkter Freiheit. Was für einen Wert die politische Freiheit, die Bürgerfreiheit hat, kann wohl nur ermessen, wer – wie er – die Unfreiheit totalitärer Staaten über Jahrzehnte erleben musste.


Mit der Wertschätzung dieses Themas reiht er sich ein in die lange Geschichte der biblischen Protagonisten, von Mose angefangen über Jesaja bis hin zu Jesus. Und sicher ist es kein Zufall, dass die Hauptschrift unseres Reformators M. Luther »Von der Freiheit eines Christenmenschen« heißt. Allerdings wussten all die Genannten auch, dass diese Freiheit mehr ist, als nur bürgerliche Freiheit. Es ist die Befreiung von allem, was den Menschen unter ein falsches Vorzeichen knechtet. Egal, ob es sich dabei um Sünde, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Krieg oder Krankheit handelt. Darum kann es keine Freiheit ohne Gerechtigkeit geben, ohne Versöhnung, ohne Bewahrung der Schöpfung. Joachim Gauck weiß das. Er muss es aber noch etwas deutlicher sagen, denke ich.

Eine gesegnete Oster- und Pfingstzeit wünscht