Der Apostelbrief

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Wertvoll

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Wenn Geldscheine erzählen könnten ... Jahrelang gehen sie von Hand zu Hand. Was wurde alles mit ihnen bezahlt? Und wo wurden sie schon ausgegeben? Manchen Geldscheinen sieht man an, dass sie schon allerhand mitgemacht haben: zerknittert, schmutzig, eingerissen, vielleicht sogar mit Tesafilm repariert. Aber egal wie ein Geldschein aussieht, ob er druckfrisch aus dem Geldautomaten kommt oder ob er nach Jahren des Einsatzes ramponiert ist: er hat immer denselben Wert.

Der Wert eines Geldscheins besteht eigentlich nur aus dem Versprechen, irgendetwas anderes mit einem bestimmten Gegenwert dafür eintauschen zu können. Deshalb ist es wichtig, dass man demjenigen vertrauen kann, der einen Geldschein herausgibt. Fehlt dieses Vertrauen, kommt es zur Inflation, das heißt, dass der Wert eines Geldscheins abnimmt.

Woher bekommt ein Mensch seinen Wert? Im Alltag messen wir den Wert eines Menschen oft daran, wieviel wir bereit sind, für seine Dienste zu bezahlen. Dann wäre der Ingenieur wertvoller als die Krankenschweister, die Bankerin wertvoller als der Handwerker oder der Fußballstar wertvoller als eine Turnerin.

Die Bibel beschreibt den Menschen als Schöpfung Gottes und in Psalm 8 staunt der Beter darüber, dass Gott sich über jeden einzelnen Menschen seine Gedanken macht. Wertvoll wird ein Mensch nicht dadurch, was er kann oder was er tut, sondern dadurch, dass er ein Geschöpf Gottes ist.

In Europa hat diese Erkenntnis schon vor Jahrhunderten dazu geführt, dass man jedem Menschen individuelle Rechte zugebilligt hat, die ihn vor der Willkür des Staates und anderer Menschen schützen sollen. Und in Artikel 1 unseres Grundgesetzes ist von der Würde des Menschen die Rede, die unantastbar sei.

In der Praxis ist davon allerdings oft wenig zu spüren und man ist versucht, dem Kabarettisten zuzustimmen, der festgestellt hat, dass »würde‘ eben ein Konjunktiv sei. Auch und gerade im alltäglichen Umgang fehlt es oft an Wertschätzung. Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz ist zur Alltagserscheinung geworden. Manche Vorgesetzte betrachten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur als Humankapital, das eine möglichst hohe Rendite erwirtschaften soll.

Kaum jemand beurteilt den Wert eines Geldscheins nach seinen Falten und Flecken und vergisst dabei den Herausgeber, der für seinen Wert einsteht. Bei Menschen passiert uns das seltsamerweise immer wieder.

Eigentlich doof.

-pv-