Der Apostelbrief

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Das wäre doch nicht nötig gewesen ...

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... bedankt sich der wohlerzogene Gastgeber für die Weinflasche, die ihm der aufmerksame Gast mitgebracht hat. Und meistens stimmt das ja auch. Geschenke sind dann am schönsten, wenn man sie unvermutet und aus freien Stücken bekommt.

»Das wäre doch nicht nötig gewesen« denken viele Christen auch, wenn sie an Karfreitag daran denken, wie Jesus leiden und sterben musste. Die Bibel lehrt, dass Jesus für uns und unsere Sünde gestorben sei. Aber dass ein allmächtiger Gott keinen anderen Weg finden können soll, die Menschheit mit sich zu versöhnen, das ist sehr schwer zu verstehen.

Ein Teil des Problems ist unser Umgang mit dem Begriff der Sünde. Unter »Sünde« versteht der aufgeklärte Zeitgenosse das zweite Stück Torte am Sonntagnachmittag oder die Autofahrt mit Tempo 50 in der 30er Zone des Wohngebiets. Deshalb heißt es ja auch »Verkehrssünderkartei«. Unter Sünde verstehen wir im Alltag eine Abweichung von einer moralischen Norm oder einer Erwartung, die wir selber an uns haben.

Das deutsche Wort Sünde hat dieselbe Wurzel wie das norddeutsche Wort »Sund«, das einen Meeresarm bezeichnet, der zwei Landesteile voneinander trennt. Wenn Paulus an die Römer schreibt, dass »der Tod der Sünde Sold« sei (Rö 6,23), verwendet er das Wort »hamarteia«, das man auch benutzte, wenn ein Schütze sein Ziel verfehlte.

Trennung von Gott und Verfehlung des Ziels unseres Lebens – das ist Sünde im biblischen Sinn.

Die Sünde von Adam und Eva bestand nicht primär darin, dass sie eine Regel nicht eingehalten haben, sondern darin, dass sie sein wollten wie Gott. Als die Israeliten in der Wüste das goldene Kalb anbeteten, wollten Sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und brauchten dazu einen Gott, den sie im Griff hatten. Und die Sünde unserer Tage besteht darin, zu glauben, dass wir unser Leben und die Welt um uns herum mit genügend Geld und der richtigen Technologie beherrschbar machen können.

Jesus hat die Menschen zur Umkehr aufgerufen. Sie sollten sich von der Wahnvorstellung verabschieden, selber die Herren des Universums zu sein und stattdessen die Herrschaft Gottes über seine Schöpfung anerkennen.

Warum der Tod Jesu an Karfreitag nötig war, werden wir wohl nie ganz verstehen. Aber auf keinen Fall ging es dabei um Moral. Es ging um Tod und Leben – unser Leben – ein Leben, so wie unser Schöpfer es sich für uns von Anfang an gedacht hatte.

-pv-