Der Apostelbrief

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Religionsunterricht

Zwischen Coolness und Neugierde

Religionsunterricht

Wenn die Jugend nicht in die Kirche geht, kommt die Kirche in die Schule. Der Apostelbrief hat sich beim Religionsunterricht in der Hauptschule Gerbrunn umgeschaut.

Adventskerzen werden angezündet, zum Stundenklingeln fehlt die Hälfte der Klasse und der Lehrer wird mit einer ausladenden Handbewegung und einem breiten »Halloooo« begrüßt. Religionsunterricht ist anders!

Dienstags morgens haben die 5. und 6. Klassen der Hauptschule gemeinsam evangelischen Religionsunterricht bei Pfarrer Johannes Riedel. Die Schüler – 22 bunt zusammen gemischte Mädchen und Jungen – sitzen in drei Reihen neben- und hintereinander.

Pfarrer Riedel eröffnet die Doppelstunde mit einem Gebet. Es ist 8:10 Uhr, einige Schüler sind noch müde, gähnen und hatten es sich gerade im dämmrigen Raum gemütlich gemacht. Jetzt müssen sie aufstehen. Der Rest ist aufgekratzt vom Schulweg und will sich den Kameraden mitteilen. Das Gebet bringt sie runter und das anschließende Lied »Herr, gibt mir Mut zum Brückenbauen« hilft allen, in die Stunde zu finden. Zuerst singen wenige, aber Pfarrer Riedel schont die Gitarre nicht und am Ende sind alle dabei.

Spiele als Knotenlöser

Was noch kein Kind richtig ahnt. Schon das Gebet und das Lied führen zum Thema der jetzigen und nächsten Religionsstunden hin: Vertrauen auf Gott. Auch das nächste Spiel gehört dazu. Die Schüler stehen sich paarweise gegenüber und reichen sich die Hände. Ein Klassenkamerad legt sich auf mehrere Armpaare und wird gehalten. »Zunächst war es ganz komisch, aber dann habe ich ihnen vertraut«, drückt einer der getragenen Schüler seine Gefühle aus.

Viele probieren es aus, alle haben Spaß. Das Lachen löst etwas die Spannung, die vorher im Raum herrschte. Jetzt provoziert niemand mehr, um den anderen zu imponieren. Keine Sprüche gegen den Pfarrer, kein unkontrolliertes Essen zwischendurch.

Riedel legt eine Landkarte auf den Projektor und beginnt die Geschichte von Sarah und Abraham zu erzählen. Die Kinder hören sehr genau zu und werden von der ruhigen, aber spannenden Stimme des Pfarrers mitgerissen. Ein Stammesführer, so die Bibelerzählung, hat ein gutes Leben für sich, seine Frau und seinen ganzen Clan. Die Tiere finden genug zu fressen, die Menschen können sich selber versorgen. Aber immer häufiger wacht Abraham auf und erzählt von seinen Träumen: Er soll seine Sachen packen und mit seiner Familie den Stimmen im Traum folgen.

Die Kinder sollen jetzt die Rollen von Abraham und Sarah spielen und den Dialog weiterführen. Die meisten zieren sich, klatschen den Mutigen aber Beifall. Anschließend erfolgt eine rege Diskussion über Sinn oder Unsinn von Abrahams Träumen: Die einen finden es nicht gut, seine Freunde zurückzulassen und ins Ungewisse zu ziehen, die anderen spannend und mutig.

Langsames Verstehen

Jetzt nimmt Pfarrer Riedel wieder die Gitarre zur Hand und alle singen »Abraham, Abraham, verlass Dein Land«. Ein weiteres kleines Stück der Erzählung, und den ersten dämmert, worauf die Geschichte hinaus will.

Bevor jedoch alle begreifen, dass Abraham Gott vertrauen soll, neigt sich die Stunde und auch die Konzentration dem Ende entgegen. Jetzt sind die Lacher, die man bei den Mitschülern erzeugen kann, wieder wichtiger als das Zuhören. Bei den Hausaufgaben regt sich Widerstand, bis man bemerkt, dass Pfarrer Riedel humaner mit seinen Forderungen ist, als andere Lehrer. Versöhnlich wird noch das hebräische »Shalom alejchem« (Friede sei mit Euch) gesungen, dann sind die beiden Stunden rum. Kirche gibt es dann wieder in einer Woche. Nein, nicht sonntags, sondern dienstags in der ersten und zweiten Stunde im Religionsunterricht.

-jb-