Der Apostelbrief

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Wundervoll

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Wunder, also Ereignisse, die mit unserer Alltagserfahrung und mit den gängigen wissenschaftlichen Methoden nicht erklärbar sind, spielen im persönlichen Glauben vieler Menschen eine große Rolle. Das ist verständlich, denn in einem Wunder, so sollte man annehmen, wird die Gegenwart Gottes ganz unmittelbar erfahrbar, vor allem, wenn das Wunder die Antwort auf ein Gebet ist.

Umso erstaunlicher, dass die Evangelien nur von relativ wenigen Wundern berichten, die Jesus in seinem irdischen Leben gewirkt hat. Besonders schillernd ist das erste Wunder Jesu, von dem die Bibel berichtet (Joh. 2,1 ff.): Jesus, seine Jünger und seine Mutter sind zu einer Hochzeit eingeladen. Nach einiger Zeit geht der Weinvorrat zur Neige – enorm peinlich für den Gastgeber. Maria bedrängt Jesus, er möge helfen, was der aber zunächst ablehnt. Die Mutter sagt aber den Dienern des Hauses, sie sollten alles tun, was ihr Sohn ihnen sagt. Jesus lässt die Diener die sechs großen Krüge mit Wasser füllen, die eigentlich für die rituellen Waschungen der Gäste bereit stehen. Und siehe da, das Wasser wird zu Wein.

Die Wunder, von denen das Neue Testament berichtet, sind nie Selbstzweck, sondern sollen die, die dabei sind, auf etwas anderes hinweisen. Johannes beschließt seinen Bericht mit den Worten »... und er offenbarte seine Herrlichkeit. Uns seine Jünger glaubten an ihn«. Kompetenzbeweis würde man das heute im Geschäftsleben nennen.

Aber es gibt noch ein paar Details in dieser Geschichte zu beobachten, die kleine Schlaglichter auf das Verhältnis von Gott und Menschen wirft.

Erstens lässt Gott sich zwar bitten, aber nicht unter Druck setzen. Jesus erfüllt letztlich die Bitte seiner Mutter, aber zu seinen eigenen Bedingungen. Wenn wir Gott im Gebet um etwas bitten, dürfen wir davon ausgehen, dass Gott diese Bitte nicht ignoriert. Wie er aber letztlich mit unserer Bitte umgeht, ist seine souveräne Entscheidung.

Zweitens kann man an diesem Beispiel sehen, dass Gott nicht kleinlich ist. Die sechs Krüge, von denen Johannes spricht, fassten zusammen über 500 Liter. Und der Wein, in den Jesus das Wasser verwandelt, ist nicht irgendein Château Migraine vom Discounter, sondern ist so gut, dass der Speisemeister den Gastgeber rügt, dass er diesen guten Wein so lange zurückgehalten hat.

Vor allem zeigt der Bericht von der Hochzeit zu Kana aber, dass Gott wirklich ein Freund des Lebens ist. Auch wenn Jesus von Zeit zu Zeit gefastet hat, konnte er das Leben genießen und hat das auch seinen Mitmenschen gegönnt. Und er gönnt es uns heute, wenn wir die Ergebnisse von Ernte und Weinlese dankbar genießen.

-pv-