Der Apostelbrief

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Pilgern in Franken

Angeregt durch Hape Kerkelings Buch: »Ich bin dann mal weg«, wuchs in mir der Wunsch, auch einmal alles andere hinter mir zu lassen und einfach los zu marschieren. Ich suchte mir eine Mitläuferin und gemeinsam legten wir unsere Route fest: der fränkische Pilgerweg zwischen Ochsenfurt und Rothenburg.

Im Internet fanden wir die Wegbeschreibung mit Übernachtungsmöglichkeiten und Gasthäusern.( Dass diese Angaben nicht immer stimmen, mussten wir leider auch zweimal erfahren.) Und dann war es endlich so weit: freudig gespannt saßen wir im Zug nach Ochsenfurt. Das erste Handicap zeigte sich in einer vollen Speicherkarte der Digitalkamera, aber da der Pilgerweg am Expert vorbeikam, war es kein Umweg‚ mal kurz vorbeizuschauen. Der Raureif lag noch auf den Feldern, der Atem hing wie ein Schleier in der Luft und meine Begleiterin trug Handschuhe. Das sind die ersten Bilder. In fröhlicher Unterhaltung marschierten wir über Tückelhausen, Acholshausen, Gaukönigshofen, Rittershausen, Bolzhausen, Osthausen, Oellingen, Hemmersheim, Phalenheim nach Gollachostheim. Wir sprachen über dies und das, – schließlich mussten wir uns auch erst einmal richtig kennen lernen – , und vollkommen zufrieden liefen wir bei strahlendem Sonnenschein unsere Kilometer. Der gleichmäßige Schritt bringt einen in eine meditative Stimmung, zumal man ja auch weite Strecken schweigend zurücklegt. Da kam mir das Lied: »Du meine Seele singe« in den Sinn doch es laut heraus zu singen, kam mir eigenartig vor, zumal ich auch den Text kaum kannte. Schade, doch ich nahm mir vor, die eine oder andere Strophe eines alten Kirchenliedes bis zum nächsten Mal auswendig zu lernen. Wir sahen viele Bildstöcke und an jedem hielten wir einen Moment inne. Ich weiß nicht, ob wir im strengen Sinn des Wortes gepilgert sind, aber das vom Alltag losgelöste Voranschreiten zu einem selbst gesetzten Ziel, die Stille und Ruhe an Bildstöcken und in Kirchen, warf einen doch immer wieder auf das Verhältnis Gott – Schöpfung – Mensch – ich zurück. Einfach Zeit haben und seine Gedanken schweifen lassen, das ist in der heutigen Zeit schon etwas Besonderes und wünschenswert.

Wie wichtig die Ruhe dabei ist, bemerkten wir, als wir bei unserer Mittagsrast von einer größeren Pilgergruppe aus Würzburg überholt wurden. Lautes Geschnatter und das zwanzigfache Auftreffen der Treckingstöcke auf dem Boden, das dem ganzen etwas Hektisches gab, störte uns doch sehr. So wollten wir nicht laufen.

Der Abend bot uns dann noch eine Überraschung: nur durch Zufall fanden wir noch ein Doppelzimmer, und man kann sich kaum vorstellen, wie groß die Freude über ein Bett und einen warmen Tee sein kann. Müde, aber zufrieden und dankbar, ließen wir den Abend ausklingen und beachteten die schlechte Wettervorhersage in der Mainpost für den folgenden Tag nicht, die aber dieses Mal stimmen sollte.

Daher mussten wir am folgenden Tag in leichtem Nieselregen laufen, was uns schon heftig zusetzte. Die Mittagsrast hielten wir im Empfangsbereich der Uffenheimer Klinik, wo es warm und trocken war. Umso schwerer war der Aufbruch. Und es sollte noch schlimmer kommen: das Gasthaus in Custenlohr war geschlossen und so machten wir unsere Pause draußen auf einer zugigen Bank am Friedhof. Der restliche Weg war recht beschwerlich, und nachdem sich bei mir einige Blasen gebildet hatten, sank die Pilgermoral doch stark. In Endsee, unserem Tagesziel, das wir bei andauerndem Nieselregen in der Dämmerung endlich erreichten, hatte das einzige Gasthaus zu. Wo sollten wir nun hin? Diese kleinen fränkischen Dörfer wirken abends im Regen nicht sehr einladend, eher verloren und so fühlten wir uns auch. Was nun? – Wir gingen zu dem nächsten erleuchteten Haus, klingelten, und erklärten der jungen Frau unsere Situation. Obwohl sie sich gerade erst mit einem Kaffee hingesetzt hatte, erklärte sie sich bereit, uns die 7 Kilometer in den nächsten Ort Steinsfeld zu fahren. Unsere Erleichterung über diese Hilfe kann man sich kaum vorstellen. – Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel –. Unser Gasthaus »Zur neuen Welt« wirkte zwar weltoffen, aber etwas Warmes zu essen bekamen wir da nicht; immerhin waren wir im Trockenen.

Am nächsten Morgen stellte sich die Frage, ob ich mit den Blasen überhaupt weiterlaufen könnte, aber irgendwie ging es dann doch. Das Wetter hatte aufgeklart und so absolvierten wir die letzte Etappe nach Rothenburg, wo unsere Pilgerreise in St. Jakob, mit dem Hl. Blutaltar von Tilmann Riemenschneider, ihr Ende fand.

Obwohl ich sicher nur einen kleinen Einblick ins Pilgern gewonnen habe, ist es eine überaus positive Erfahrung gewesen. Ganz auf sich gestellt, ein Ziel im Auge, mit dem Nötigsten ausgestattet und viel Zeit, hat man diese Tage verbracht und hautnah Gottes Schöpfung erfahren. Die vielen Gedanken, die einem über die Zeit kommen, kann man kaum in Worte fassen, manchmal sind es auch nur Gefühle. Ich denke, diese Erfahrungen muss jeder selbst machen. Es lohnt sich.

Christiane Konrad