Der Apostelbrief

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Was die Welt im Innersten zusammenhält ...

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... wollte nicht nur Dr. Heinrich Faust in Goethes Drama wissen. Bis heute beschäftigt diese Frage Wissenschaftler auf der ganzen Welt.

Derzeit wird in Genf eine Maschine in Betrieb genommen, die uns der Antwort auf diese Frage ein Stückchen näher bringen soll: der Large Hadron Collider (LHC).

Elementarteilchenphysiker aus aller Welt hoffen, dass dieses Experiment Theorien bestätigt oder widerlegt, die teilweise seit Jahrzehnten diskutiert werden.

In der Zeitung konnte man lesen, dass man am LHC das Gottesteilchen finden will. Mit Gott hat das allerdings nichts zu tun. Falls am LHC dieses so genannte Higgs-Boson gefunden wird, bedeutet das, dass die derzeit aktuelle physikalische Beschreibung der Elemen­tar­teil­chen, aus denen die Welt aufgebaut ist, und hier vor allem der Teil, der erklärt, warum unterschiedliche Teilchen unterschiedliche Massen haben, korrekt ist. Stellt man fest, dass das Higgs-Boson nicht existiert, muss die Theorie mindestens an dieser Stelle verbessert werden.

Aber wie kommt ein Journalist dazu, ein Nebenprodukt der Quantenfeldtheorie wie das Higgs-Boson als »Gottesteilchen« zu bezeichnen?

Für viele Menschen bieten die Bibel und der christliche Glaube heute keine akzeptablen Erklärungen mehr für die Fragen, die letztlich uns alle beschäftigen und die in der einen Frage münden, was denn die Welt im Innersten zusammenhält. Diese Menschen schauen sich daher nach anderen Erklärungen um. Die Naturwissenschaften haben in den vergangenen zwei Jahrhunderten so enorme Erfolge wie Teflonpfanne und Satellitenfernsehen hervorgebracht, dass man ihnen auch zutraut, die existentiellen Grundfragen menschlicher Existenz zu beantworten.

Auch die beteiligten Wissenschaftler tun das gelegentlich und schließen dann aus den Resultaten ihrer Forschungen auf die (Nicht-) Existenz Gottes, den Ursprung oder den Sinn des Lebens.

Was dabei übersehen wird, ist, dass die Naturwissenschaften diese Antworten genauso wenig geben können, wie die Fotografie eines Apfels Auskunft über dessen Geschmack geben kann. Man kann spekulieren, dass ein grüner Apfel eher sauer und ein rotgelber Apfel eher süß schmeckt. Aber letztlich ist der Fotoapparat einfach das falsche Instrument.

Die Naturwissenschaften beschreiben Phänomene, die immer wieder in derselben Art und Weise passieren, ohne dass es der Einwirkung eines Menschen oder eines Gottes bedarf. So können wir mit atemberaubender Präzision vorausberechnen, wie eine Raumsonde fliegt oder wie der elektrische Strom durch die Schaltkreise eines Computers fließt. Da Gott dabei von vornherein nicht vorgesehen war, darf man sich auch nicht wundern, dass er in den Ergebnissen nicht vorkommt.

Wenn ein Mensch aus den Ergebnissen der Biologie oder der Astrophysik auf die Nichtexistenz Gottes schließt, ist das genau so ein Akt des Glaubens wie wenn ein anderer Mensch in denselben Ergebnissen ein Zeugnis für die Größe des Schöpfers sieht und mit dem Psalmisten ausruft: »Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet und die Erde ist voll deiner Güter« (Psalm 104,24).

-pv-