Der Apostelbrief

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Ist ein Tischgebet in einem Sternerestaurant angebracht? Soll man Gott für den eben servierten Dialog von Sommersalaten an einer feinen Balsamicovinaigrette laut und vernehmlich danken? Wenn der Koch sein Geld wert ist, wäre Dankbarkeit sicher angebracht – aber laut, so dass alle um uns herum uns verstehen können? Ist das nicht übertrieben?

Es kommt natürlich auf die Situation im Einzelfall an, aber insgesamt ist diese erfundene Szene symptomatisch für uns Christen in Europa. Religion ist Privatsache. Wir wollen niemanden mit unseren Überzeugungen belästigen oder gar vereinnahmen.

Das wirkt zwar ungeheuer aufgeklärt und tolerant. Dahinter verbirgt sich aber in vielen Fällen vor allem ein Mangel an Selbstvertrauen hinsichtlich des eigenen Glaubens. Auch fromme Christen sind nicht gefeit vor dem kleinen Mann oder der kleinen Frau im Ohr, die uns fragen, ob das, was wir da glauben, nicht doch eigentlich ein Relikt aus einer durch die Aufklärung überwundenen Zeit ist. Kurz gesagt: wir schämen uns für unseren Glauben.

Dieser Mangel an spirituellem Stehvermögen wird uns dann schmerzlich bewusst, wenn wir Menschen begegnen, die in ihrer Religiosität ganz anders »gestrickt« sind. Für viele der in Deutschland lebenden Muslime ist ihre Religion integraler Bestandteil ihres Lebens. Der Gedanke, sich für ihren Glauben rechtfertigen zu müssen, ist ihnen völlig fremd. Und dieses Selbstvertrauen verunsichert uns.

Dabei besteht gar kein Grund, das Licht des Evangeliums unter den Scheffel zu stellen. Es ist einfach nicht wahr, dass »die Wissenschaft Gott abgeschafft hat«. Es ist vielmehr so, dass vor allem die Naturwissenschaften in ihrem Anspruch, die Welt zu erklären, an manchen Stellen weit über das Ziel hinausgeschossen sind.

Es ist auch nicht wahr, dass das Christentum nicht mehr zeitgemäß ist. Gerade inunserer postmodernen Zeit, in der alles und jeder auf seinen ökonomischen Wert reduziert wird, ist die Botschaft vom Wert jedes einzelnen Menschen als Geschöpf Gottes für unsere Gesellschaft überlebenswichtig.

Aber der Knackpunkt an der ganzen Geschichte ist doch die Frage: ist denn das alles wahr? Und hier wird Glaube dann doch zu einer sehr persönlichen Angelegenheit. Der Glaube, den der Hebräerbrief »eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht« nennt, kann nur dort wachsen, wo ein Mensch sich immer wieder und immer wieder neu auf die Begegnung mit Gott im Gebet, im Studium der Bibel oder in der Gemeinschaft mit anderen Christinnen und Christen einlässt. Und nur, wer sich seines eigenen Standpunktes sicher ist, kann Menschen mit anderen Ansichten offen und tolerant begegnen, ohne sich selbst zu verlieren.

-pv-