Der Apostelbrief

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Alles vorherbestimmt?

Über Gottes Gnadenwahl

»Gepriesen sei Gott ... In Liebe hat er uns dazu vorbestimmt, durch Jesus Christus seine Kinder zu werden« (Eph 1, 3–6).

Eins gleich vorweg: Wie bei der im Editorial erwähnten Stelle Röm 8, 28f handelt es sich auch hierbei um ein Loblied auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Ohne sie gäbe es keinen Jesus, keine Versöhnung, keine Erlösung. Ohne ihn gäbe es nur den Sumpf und uns, die wir uns am eigenen Schopf versuchen aus diesem Sumpf herauszuziehen.

Aus diesen Versen begeisterten Lobens haben aber nun viele christliche Denker ihre theoretisierenden Schlüsse gezogen. »Logisch«, sagten sie. »Wenn Gott allmächtig ist, dann muss ja letztlich alles auf ihn zurückgehen, sonst hätte anderes ja offenbar Macht neben ihm oder gar gegen ihn«. Für sie war klar: Gott, der außerhalb der Zeit lebt, sieht vorher, wer den Ruf zum Glauben hören wird. Den erwählt er zum Heil. Und die anderen? Die bestimmt er wohl zum Unheil, sagten viele. Manche wurden noch deutlicher: Er sieht nicht nur voraus, er bewirkt es (so z.B. Augustin)!

Ein gewichtiges seelsorgerliches Argument warf vor allem Martin Luther in die Waagschale: Wie soll ich gewiss sein, das Heil zu erlangen, wenn es irgendwo $ndash; und sei es nur in Form einer Entscheidung – von meinen brüchigen und unzuverlässigen Kräften abhängt? Nein, in Sachen des Heils darf es keinen freien Willen des Menschen geben. Dort muss die Gnade Gottes alleine regieren.

Aber wer oder was regiert über die, die nicht zum Glauben finden? Eine dunkle Seite in Gott?

Hier gerät unser Denken an logische Grenzen. Darum warnt Luther sich allzu sehr mit solchen Gedanken zu belasten.

Und es stimmt: Die Logik gerät an dieser Stelle in Ausweglosigkeiten. Um beides, Jesu liebendes Gottesbild und eine echte Heilsgewissheit zu erhalten bliebe nur noch der Gedanke des Heils für alle (»Allversöhnung«). Dagegen sprechen allerdings viele Aussagen der Bibel, auch solche die sicher auf Jesus zurückgehen. So bleiben zuletzt vier Aussagen des Glaubens, die in ihrer Widersprüchlichkeit ausgehalten werden müssen:

Gott will unser Heil. Seine Gnade rettet uns, nicht unser Tun und Entscheiden. Der Glaube ist sein Geschenk. Dass sich viele aber dem Glauben verschließen ist sicher nicht seine Schuld, sondern bleibt die der Menschen. Zu Gott dürfen wir aber hoffen und beten, dass er vielleicht doch noch Wege findet, auch sie zu retten – vielleicht sogar jenseits der Todeslinie.

Pfarrer Johannes Riedel