Der Apostelbrief

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Nichts Neues unter der Sonne

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Während meiner Studienzeit gab es an der Universität Stuttgart noch etwas, das heute ziemlich aus der Mode gekommen ist: eine marxistische Studentengruppe. In der von dieser Gruppe herausgegebenen »Stuttgarter Hochschulzeitung« stand im Mai 1987 zu lesen: »Mal im Ernst: So ganz im Ernst glaubt doch heutzutage kein Mensch an die Geschichte vom Gotteslamm, das sein liebender Vater für die Sünden der Menschheit hat umbringen lassen.«

Diesen Leitartikel haben wir damals von unserer christlichen Studentengruppe mit einem Flugblatt beantwortet, das den biblischen Titel trug: »Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir gerettet werden, ist's einer Gotteskraft.«

Schon als Paulus diesen Satz (1. Kor, 1,18) an die Christen in Korinth schrieb, also vor fast zweitausend Jahren, kam es den Menschen seltsam vor, was die Christen an Karfreitag bedenken: dass sich der Mensch gewordene Gott selbst opfert, um die Menschen von ihrer Schuld zu befreien, und ihnen so ein Leben in seiner Nähe zu ermöglichen.

Für die frommen Juden war es unvorstellbar, dass der Messias, der doch das Volk Israel aus der Knechtschaft befreien sollte, derart kläglich enden sollte. Für die gebildeten Griechen war die Vorstellung eines leidenden, schwitzenden und blutenden Gottes einfach zu unappetitlich für einen gepflegten Diskurs. »Für die Juden ein Ärgernis, für die Griechen eine Torheit« fasste Paulus knapp zusammen.

Und obwohl der Kommunismus heute in den meisten Weltgegenden ad acta gelegt ist, ist das »Wort vom Kreuz« immer noch für viele Menschen ein Stein des Anstoßes. Seitdem Terroristen in aller Welt im Namen einer Religion Angst und Schrecken verbreiten, ist jede Form von Religion in Verdacht geraten, für alles Böse in der Welt verantwortlich zu sein.

Ein »neuer Atheismus« schwappt aus den USA nach Europa. Die Ablehnung der Religion stützt sich dabei weniger auf die Frage nach der Wahrheit, sondern mehr auf die Auffassung, dass Religionen aller Art ein friedliches und tolerantes Zusammenleben der Menschen verhindern.

Es gibt also, und auch das ist eine Weisheit der Bibel, nichts Neues unter der Sonne. Der Glaube der Christen an einen Gott, der sich selbst aus Liebe für uns hingegeben hat, ist heute so unvernünftig wie vor zweitausend Jahren. Dieser Glaube ist genauso unvernünftig wie die Liebe zwischen Menschen, die alle Anfechtungen von Gewalt, Trennung, Krankheit und Tod überstehen kann – und genauso real.

-pv-