Der Apostelbrief

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Gott braucht Esel

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Zu den Ritualen der Vorweihnachtszeit gehört in vielen Familien das Aufbauen der Krippe. Eine Figur gehört fast immer dazu und wird in aller Regel irgendwo im Hintergrund platziert: der Esel. Ob es der Esel ist, der die hochschwangere Maria getragen hat oder ob er zum Stall gehört, ist nicht ganz klar, da in den Evangelien nichts von ihm zu lesen ist.

Ein Pfarrer hat einmal in einer Predigt gesagt, dass Gott uns Christen als Esel gebrauchen wolle.

Ausgerechnet Esel! Wenn man sich ein Tier heraussuchen müsste, das man gerne sein will, dann würden sich die wenigsten von uns einen Esel heraussuchen. Esel gelten als nicht besonders intelligent und vor allem als sprichwörtlich stur.

In der Bibel, wie im alten Israel überhaupt, sind Esel wichtige und geschätzte Tiere. Abraham besaß ebenso Esel wie sein Enkel Jakob und später die Richter und Könige Israels. Im Leben Jesu spielen Esel immer wieder eine Rolle bis hin zu Jesu Einzug in Jerusalem am Palmsonntag, bei dem er auf einem Esel reitet. Damals wurde der Esel eher mit Eigenschaften wie Kraft, Geduld oder Demut in Verbindung gebracht.

Aber warum sollte Gott uns gerade als Esel gebrauchen wollen und nicht zum Beispiel als stolzes Pferd?

Zum einen sind Esel ein klassisches Beispiel für die Devise »mehr Sein als Schein«. Sie sind auf den ersten Blick nicht so attraktiv wie Pferde, erweisen sich aber bei genauerem Hinsehen als genügsamer, leistungsfähiger und langlebiger. Christen, die Esel Gottes sein wollen, sind diejenigen, die eine Gemeinde oder Gruppe am Laufen halten, ohne viel Aufhebens zu machen. Sie sind das Gegenteil von den »Helikopter-Christen«, die mit viel Getöse auftauchen, jede Menge Staub aufwirbeln und dann ganz schnell wieder verschwunden sind.

Und zum anderen kommen Esel auch in unwegsamem Gelände zurecht. Wenn sich in frommen Kreisen Enttäuschung breit macht, weil etwas nicht sofort so funktioniert, wie erhofft, dann sind es Christen, die Esel Gottes sein wollen, die trotz mancher Schwierigkeiten durchhalten und an der ursprünglichen Vision festhalten.

Gott braucht uns als seine Esel, die seine Kirche tragen und notfalls auch ertragen. Nicht als naive Trottel, die alles mitmachen, sondern als Menschen, die bereit sind, gemeinsam und begabt durch Gottes Geist, sein Reich schon hier und heute zu bauen und nicht nur davon zu reden.

Insofern ist es dann doch passend, den Esel in der Krippe aufzustellen. Und das könnte unser Platz an der Krippe sein.

-pv-