Der Apostelbrief

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Revolution statt Reformen

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"S'isch nemme des ..." hört man bei uns in Schwaben häufig, wenn das Gespräch auf die aktuelle Lage in Politik und Gesellschaft kommt. Aber täuschen wir uns nicht. Schon Peter Ustinov bemerkte: "Heute sind die guten alten Zeiten, denen wir in zehn Jahren nachtrauern werden".

Die Jahreslosung 2007 war ursprünglich an Leute gerichtet, die vermutlich auch den alten Zeiten nachtrauerten: Die Elite des Volkes Israel war nach Babylon verschleppt worden, wo aus den Herrinnen und Herren Jerusalems die Knechte und Mägde der Babylonier wurden. In dieser misslichen Situation lässt Gott durch seinen Propheten sagen: "Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?" (Jesaja 43,19a).

Wenn Politiker aller Couleur heute von "Reformen" sprechen, meinen sie damit allzu oft den Versuch, notwendige Zumutungen für das Wahlvolk in möglichst kleinen Dosen zu verteilen, um dessen Unmut in handhabbaren Grenzen zu halten.

Was Gott damals in Babylon ankündigte, waren keine Reformen in diesem Sinne sondern eine Revolution: "Siehe, ich will ein Neues schaffen". Es sollten nicht die Missstände, die zum Untergang des Königreiches Juda führten, ein wenig korrigiert werden. Gott kündigt einen radikalen Neuanfang an.

"Siehe, ich will ein Neues schaffen" ist auch die Überschrift über dem Stall von Bethlehem. Die Geburt Jesu markiert einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Gott und den Menschen.

"Siehe, ich will ein Neues schaffen" sagt Gott auch zu jedem Menschen, der Christ wird. Nicht umsonst vergleicht Jesus das mit einer zweiten Geburt (Johannes 3) und Paulus schreibt davon, dass "wer in Christus ist, eine neue Kreatur sei" (2. Kor. 5,17).

Und in Babylon, genau wie in Bethlehem oder hier und heute gilt: "jetzt wächst es auf ...". Der Plan Gottes, etwas Neues zu schaffen, ist keine Vertröstung auf irgendwann. Gott beginnt hier und heute.

Das Neue fängt an, zu keimen, wo ein Mensch zu Gott findet oder in der Gemeinschaft mit ihm lebt. Es wächst, wo sich eine Gemeinschaft von Christinnen und Christen Gott zuwendet und nach seinem Willen fragt. Und das Neue kann wuchern, wo sich ein Volk seiner "Verantwortung vor Gott" stellt, von der in unserem Grundgesetz die Rede ist.

Das Neue, das Gott wachsen lässt, scheint nicht einfach zu erkennen zu sein. Das mag daran liegen, dass Wachstum meist ein sehr langsamer Prozess ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir allzu oft Gottes Willen mit unseren eigenen Wünschen verwechseln.

Die neue Jahreslosung fordert uns auf, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen, um festzustellen, wo Gott Neues wachsen lässt. Das könnte überraschend werden - in jedem Fall aber spannend.

-pv-