Der Apostelbrief

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Keine Sorge

Wie viel(e) Versicherung(en) braucht ein Christ? Diese Frage wird ein Franziskaner-Mönch sicher anders beantworten als ein Versicherungsmakler, selbst wenn beide gläubige Christen sind. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir uns daran gewöhnt, dass uns im Grunde nichts passieren kann.

Durch die gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, und Rentenversicherungen waren alle existenziellen Risiken für fast jedermann abgefedert. Aber seit ein paar Jahren macht sich Verunsicherung breit: Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel und explodierende Kosten im Gesundheitswesen lassen die vertrauten Fundamente unserer Gesellschaft wanken. Viele Politiker und die Berater der einschlägigen Finanzdienstleister sind sich einig: private Vorsorge tut Not. Zusatzversicherungen, Investment-Fonds und Sparpläne sollen einen sorgenfreien Lebensabend und die optimale Versorgung im Krankheitsfall garantieren.

Beunruhigend nur, dass die Bibel eine ganz andere Sprache spricht: »Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet« (Mt 6,25) heißt es da, oder »Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen« (Mt. 6,34).

Wie soll man das als Familienvater oder -mutter verstehen? Wo bleibt die Verantwortung für die, die uns anvertraut sind? Gott hat uns doch Hände zum Arbeiten und einen Kopf zum Denken gegeben, ist es da nicht unsere Pflicht, das unsere zu tun, um für uns und die, die von uns abhängig sind, zu sorgen?

Wo liegt die Grenze zwischen Gottvertrauen und Blauäugigkeit? Vielleicht hilft noch ein weiterer Blick in die Bergpredigt, unmittelbar vor den bereits zitierten »anstößigen« Versen. Dort erklärt Jesus nämlich wo das Problem beim Sorgen liegt: »Niemand kann zwei Herren dienen[...] Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon« (Mt. 6, 24).

Das ist der springende Punkt: unsere Vorsorge soll nicht Zweck und Zentrum unseres Lebens werden. Wir sollen uns und unser Leben Gott anvertrauen, nicht einer Versicherungspolice. Wie viele Versicherungen ein Christ braucht, ist auch eine Frage des Charakters. Der eine schläft mit Hausratversicherung besser, der andere ohne. Aber in jedem Fall und für jede(n) von uns gilt, was vor zweitausend Jahren gegolten hat und was auch in dreißig Jahren gelten wird: »Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus« (Phil 4,6).

-pv-