Der Apostelbrief

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Stellvertreter

Beten ist vielen Menschen wichtig, nicht nur Christen. Im Januar hat Papst Johannes Paul II. Vertreter von 12 Weltreligionen zu einem Gebetstreffen nach Assisi eingeladen. Auch wenn die Vorstellungen der Religionen von Gott sehr weit auseinander gehen: die Verbindung mit dem, der (oder das) hinter der sichtbaren Welt steht, wird gesucht.

Für Christen bedeutet Beten, mit einem persönlichen Gegenüber zu reden: »Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott, in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung«. So lernen es die Konfirmandinnen und Konfirmanden.

Aber was macht das Gebet zum Gebet? Sind es bestimmte Formeln? Sind es besondere Worte oder eine bestimmte Sprache? Müssen die Hände gefaltet sein oder zum Himmel erhoben? Kann man nur mit geschlossenen Augen beten oder nur mit offenen?

Wenn man sich die Beter in der Bibel anschaut, begegnet man ganz unterschiedlichen Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen. Wohlformulierte Hymnen finden wir da neben verzweifelten Stoßseufzern.

Sucht man nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner, so stellt man fest: ein Gebet wird dadurch zum Gebet, dass sich ein Mensch an Gott wendet. Egal mit welchen Worten, egal in welcher Körperhaltung. Entscheidend ist der Adressat.

Mit unseren Gebeten verraten wir Gott nichts Neues, denn »euer Vater weiß, was ihr bedürft, ehe ihr ihn bittet« (Mt. 6,8). Trotzdem lässt sich Gott durch das ernsthafte und ausdauernde Gebet von Menschen beeinflussen. Denken wir an das Gebet Abrahams für Sodom (1. Mose 18, 16-33) oder das Gleichnis von der bittenden Witwe (Lk. 18, 1-8), die nur deshalb zu ihrem Recht kommt, weil sie dem Richter penetrant mit ihrer Klage in den Ohren liegt.

Aber was, wenn uns die Worte fehlen? Wenn Trauer, Verzweiflung oder Schmerzen so stark sind, dass wir nicht mehr beten können?

An Pfingsten haben wir uns an die Gabe des Heiligen Geistes erinnert. Von ihm heißt es im Römerbrief: »Der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen« (Röm. 8,26).

Wenn wir nicht mehr weiter wissen und uns sogar die Worte fehlen, das auszudrücken, können wir uns trotzdem darauf verlassen, dass unsere Sache bei Gott gut vertreten wird.

-pv-