Der Apostelbrief

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Aufladen

Ein Mensch fuhr in den Urlaub. Sein Ziel: ein einsamer See, in dem es unglaublich viele Fische zu fangen gab. Der Mensch hatte ein kleines Boot mit einem Elektromotor. Mit dem fuhr er eines Morgens ganz früh auf den See hinaus. Er angelte bis zum späten Vormittag und fing eine Menge Fische. Dann machte er sich auf den Rückweg. Aber da streikte der Motor. Keinen Laut gab er mehr von sich. Und so musste der Mensch mit einem kleinen Notpaddel den beschwerlichen Heimweg antreten.

Hinter sich hatte er den kräftigen Motor, der nutzlos geworden war, weil der Mensch versäumt hatte, die Batterien rechtzeitig aufzuladen.

Ausgebrannt und leergelaufen, so fühlen sich viele von uns vor dem Urlaub. Gerade solche Menschen, die sich neben ihren beruflichen und/oder familiären Verpflichtungen in der Gemeinde engagieren, pfeifen in diesen Wochen vielfach »aus dem letzten Loch«. Und eben diese Menschen fragen sich dann, warum Gott sie gerade bei ihren »frommen« Aktivitäten so im Regen stehen lässt.

Oder ist es vielleicht gar nicht Gottes Problem? Denken wir an den Angler: er hatte ein gutes Boot, einen funktionsfähigen Motor, intakte Batterien. Er hatte nur vergessen, die Batterien aufzuladen.

In meiner neuen Heimat Kusterdingen werden die Gottesdienste unter anderem »im Namen des Heiligen Geistes - Kraft die uns belebt und begeistert« gefeiert. Gott verlangt von keinem von uns, dass wir aus eigener Kraft all das schaffen, was von uns als Christen innerhalb und außerhalb der Gemeinde gefordert wird. Er selbst will uns durch den Heiligen Geist mit der nötigen Energie ausrüsten.

Das verlangt von uns allerdings, dass wir uns regelmäßig an die Ladestation begeben. Wie das geht, wird im Neuen Testament an vielen Stellen beschrieben. Von zentraler Bedeutung ist dabei immer das Gebet. Von Martin Luther ist der Satz überliefert: »Ich habe heute viel vor - deshalb muss ich viel beten«. Damit meint Luther nicht das eilige Abhaken einer theologischen Einkaufsliste. Häufig haben wir im Gebet so viel zu sagen, dass Gott gar keine Chance hat uns zu antworten. Schön wäre es, wenn Gott uns so konkret antworten würde, wie Don Camillo, wenn er im Film mit seinem Herrn spricht. Aber wie Gott auch antwortet, durch einen Gedanken oder durch ein Bibelwort, das uns plötzlich in ganz neuem Licht erscheint - in jedem Fall erfordert Gottes Antwort unser Schweigen.

Die kommende Urlaubszeit ist vielleicht eine Chance, das einmal auszuprobieren. Und vielleicht können wir lernen, regelmäßig unsere geistlichen Batterien nachzuladen und uns so manche Ruderpartie zu ersparen.

-pv-