Der Apostelbrief

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Das Licht der Welt

Licht

Wenige Dinge wirken so positiv auf den Menschen wie das Sonnenlicht: in Skandinavien, wo viele Menschen während der dunklen Wintermonate Depressionen entwickeln, wird vielerorts eine »Lichttherapie« angewandt, bei der die Patienten für etwa 15 Minuten täglich vor einer hellen Lampe sitzen, deren Spektrum in etwa dem der Sonne entspricht. Die Erfolge sind spektakulär.

Der Aufgang der Sonne markiert für uns ganz selbstverständlich den Beginn eines neuen Tages. Im Gegensatz dazu beginnt in der Bibel schon der allererste Tag mit dem Abend: »da ward aus Abend und Morgen der erste Tag« (1. Mose 1,5). Im Kalender unserer jüdischen Geschwister lebt diese Ordnung bis heute fort.

Aber woher kommt diese aller Intuition widersprechende Reihenfolge von Tag und Nacht? Des Rätsels Lösung liegt in den hebräischen Worten für Abend (»erev«) und Morgen (»boqer«): wenn es abends dunkel wird, beginnen die Dinge undeutlich zu werden und zu verschwimmen. Und genau das drückt die Wortwurzel von »erev« aus: Verwirrung, Durcheinander, Chaos. Die Wurzel des Wortes »boqer« drückt genau das Gegenteil aus: mit zunehmendem Tageslicht werden die Dinge erkennbar, wahrnehmbar. Das biblische Verständnis des Tages erinnert damit täglich an die von Gott in der Schöpfung vorgegebene Richtung vom Chaos zur Ordnung, von der Finsternis zum Licht, von der Verlorenheit zum Heil.

An Weihnachten feiern wir, daß der Jesus von Nazareth geboren wurde, der von sich selber sagt: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben« (Joh. 8,12). Eine attraktive Vorstellung, zumal in dieser Jahreszeit.

Aber damit nicht genug: Jesus sagt uns Christen zu, daß wir das Licht der Welt seien (Mt 5,14). Wohlgemerkt: dieses Wort aus der Bergpredigt ist keine Aufforderung, sondern eine Feststellung. Die unmittelbar folgende Aufforderung besteht darin, dieses Licht nicht »unter einen Eimer« sondern »auf einen Leuchter« zu stellen.

Advents- und Weihnachtskerzen sind Leuchtreklame für das Reich Gottes. Aber so, wie die beste Werbung verpufft, wenn das beworbene Produkt die Kunden enttäuscht, sind auch die Lichter der Weihnachtszeit nutzlos, wenn sie nicht ein Hinweis auf das »Licht des Lebens« sind. Und hier sind wir als »Licht der Welt« gefragt: unser Zeugnis und vor allem unser Vorbild.

Nicht nur zur Weihnachtszeit.

-pv-