Der Apostelbrief

Juni - Juli 2000
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Die Profis

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Wenn etwas ordentlich gemacht werden soll, wenden wir uns gern an Profis. Nichts gegen selbst gezimmerte Möbel, aber: »wie der Schreiner kann's Keiner«, so heißt es. Auch im kirchlichen Bereich wird den »Hauptamtlichen« ungleich mehr zugetraut, als den »Laien«: eine Andacht vom Pfarrer gilt mehr als die eines engagierten Kirchenvorstehers und selbst jahrelange Erfahrung einer Kinderkirchhelferin kann in den Augen vieler Gemeindeglieder das »Diplom« einer Diakonin nicht ersetzen.

Und so entsteht eine Gemeinde, die sich aus ein oder zwei theologisch gebildeten Führungspersönlichkeiten und einer Herde mehr oder weniger willig hinterhertrabender Gemeindeschafe zusammensetzt. Ein sehr bequemes Gemeindemodell, das sich prächtig dazu eignet, christliche Traditionen hochzuhalten und die Wendepunkte des Lebens feierlich zu umrahmen.

Mit dem Gemeindeverständnis des Neuen Testamentes hat diese Art von Gemeinde freilich nichts zu tun. Paulus vergleicht die Gemeinde mit dem Leib Christi (z.B. l. Korinther 12, Epheser 4): es gibt keine unbeteiligten Zuschauer, jeder ist dazu aufgerufen mit seinen eigenen Fähigkeiten und Kräften zum Wohlergehen und Gedeihen der Gemeinde beizutragen.

Die Gaben, die Gott dazu in seiner Gemeinde verteilt, sind vielfältig: die eine hat das Geschick, das Wort Gottes für unsere Zeit zu interpretieren, der andere besitzt die Weisheit, den Willen Gottes in einer bestimmten Situation zu erkennen. Manche haben die Liebe, den Schwächsten zu helfen und manche besitzen die Geduld, die Anliegen der Gemeinde im Gebet vor Gott zu bringen.

Die »Hauptamtlichen« in einer Gemeinde bringen ihre Gaben in ihren Dienst ein. Aber entgegen der landläufigen Erwartung bekommt kein Pfarrer und kein Diakon alle Gaben: es gibt lausige Prediger, die begnadete Seelsorger sind und andere, deren Kirche jeden Sonntag rappelvoll ist, die aber am Bett eines Sterbenden kläglich versagen.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter in einer Kirchengemeinde sind nicht billiger Ersatz, wo es an professionellen Arbeitskräften hapert. Erst durch das Zusammenspiel von Pfarrerinnen und Pfarrern, Diakoninnen und Diakonen, Kirchenvorständen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verschiedenen Feldern der Gemeindearbeit wird der Leib Christi lebensfähig. Eine Gemeinde, die den geistlichen Gaben ihrer Pfarrer und denen ihrer Mitglieder Raum zur Entfaltung gibt, gewinnt eine Vitalität, die diejenigen stärkt, die in ihr leben und diejenigen einlädt, die an ihrem Rand stehen.

Eine Gemeinde, die Spaß macht. Es gibt viel zu tun - packen wir's an!

-pv-