Der Apostelbrief

Dezember 1999 - Januar 2000
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Am Ende Sein

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Für die meisten von uns zählen der Advent und Weihnachten zu den schönsten Zeiten des Jahres. Eigene Kindheitserinnerungen mischen sich mit dem Bild, das uns die Medien vom »Fest der Liebe und der Familie« vermitteln zu einer geheimnisvollen, von Plätzchenduft und Kerzenschein geprägten heilen Welt.

Anderen ist gar nicht zum Feiern zumute. Denjenigen zum Beispiel, die keine Familie (mehr) haben, oder die im vergangenen Jahr den Verlust eines geliebten Menschen zu beklagen hatten. Gerade an Weihnachten werden solche Verluste und vor allem die Einsamkeit von vielen Menschen besonders schmerzlich empfunden und nicht selten unerträglich. Und die Christen unter diesen Verzweifelten fragen sich dann, ob sie nicht versagt haben, wenn Sie an dem Fest, an dem sie eigentlich die vorbehaltlose Zuwendung Gottes zu uns Menschen feiern sollten, das Gefühl haben, daß Gott sie in ihrem Elend auch noch sitzen läßt.

Sie haben mit Sicherheit nicht versagt, denn sonst stünde ein Gebet wie Psalm 88 nicht in unserer Bibel. Dieser Psalm ist der ohnmächtige Hilfeschrei eines zutiefst verzweifelten Menschen: »Denn meine Seele ist übervoll an Leiden und mein Leben ist nahe dem Tode. Ich bin denen gleich geachtet, die in die Grube fahren, ich bin m ein Mensch, der keine Kraft mehr hat (Verse 4-6)«. Im Gegensatz zu anderen Leidenspsalmen gibt es hier keinen versöhnlichen Schluß, der das Leiden relativiert. Das einzig Positive an diesem Psalm ist, daß dieser Mensch noch die Hoffnung hat, daß es etwas bringt, Gott sein Leid zu klagen.

Der englische Schriftsteller Adrian Plass hat für diese Situation, in der wir keinen anderen Ausweg sehen, als uns an der »Schulter Gottes« auszuweinen, ein Bild gefunden, den Alptraum eines Einjährigen: »Gerade eben, als es mir ganz schlecht ging, kamen ein paar Leute zu uns nach Hause und trugen mich nach draußen in einen weißen Lieferwagen. Mein Papa gab mich ihnen, obwohl es mir wirklich ganz elend ging. Er half ihnen, mich in den Lieferwagen zu legen, und dann stieg er selbst auch ein. Nach einer holprigen Fahrt sind wir an einem sehr großen Haus voll mit Leuten in weißer Kleidung angekommen. Papa ließ mich bei einer Frau, die ich nicht kannte, und die machte Sachen mit mir, die mir nicht gefielen. Papa ließ sie einfach! Dann kam Papa zurück, aber nur ganz kurz, und sah mich an, denn er hatte die Hände vor seinem Gesicht... Ich verstehe nicht, warum Papa mich nicht nach Hause holt und macht, daß es nicht mehr weh tut. Warum hat er mich nicht mehr lieb? Wenn er wieder hereinkommt, werde ich weinen und weinen und weinen...« [1] .

Auch wenn alles dagegen zu sprechen scheint: Gott liebt die Menschen, seine Menschen, die er geschaffen hat, so sehr, daß er selbst Mensch wird und sich schließlich für uns opfert. Das feiern wir an Weihnachten.

Und die Glücklichen unter uns, die Weihnachten dieses Jahr wirklich feiern können, haben vielleicht die Chance, einem einsamen oder verzweifelten Menschen zu helfen, auch etwas von der Hoffnung zu spüren, die Weihnachten fiir alle Menschen bedeutet.

-pv-

[1] Aus: Adrian Plass, Stürmische Zeiten (Brendow-Verlag, Moers)