Der Apostelbrief

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Nr. 157
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Geistliches Wort

„Der Herr ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe.“ Joel 2,15

Ich nicht. Ich bin nicht wie Gott, Lichtjahre entfernt von sowas wie einer Gottebenbildlichkeit. Gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte? Schon in ruhigen Zeiten, wenn mein Leben ausgewogen zwischen Arbeit und Erholung dahinläuft, lassen Geduld und Güte oft zu wünschen übrig – sagt man. Wenn das Leben dann auch noch Fahrt aufnimmt, meistens an allen „Fronten“ gleichzeitig, wenn Dinge einfach laufen müssen, wenn ich auf Hilfe und Unterstützung angewiesen bin – dann braucht mir erst recht keiner mehr zu kommen mit „gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte.“

Solche Gedanken haben Sie, hast Du sicher auch mal: „Muss ich mich hier denn um alles kümmern? Kann bitte jemand einfach nur mal machen? Hatten wir das so abgesprochen? Ich hab doch schon dreimal nachgefragt.“

Ob Gott manchmal auch Stress hat? Mit uns Menschen bestimmt, so, wie sich die Schöpfung und vor allem seine menschlichen Geschöpfe allenthalben aufführen. Was liegen wir ihm in den Ohren, jammern, fordern und klagen anstatt zu danken, zu loben und zu preisen. Und dann soll Gott auch noch immer und überall gleichzeitig da sein, für jeden, aber besonders für mich; und schließlich wird er verantwortlich gemacht, ständig, auch für den größten innerweltlichen Mist.

Der Prophet Joel geht in der Tradition des Alten Testaments selbstverständlich davon aus, dass Gott straft. Also hat Gott wahrscheinlich auch manchmal die Nase voll. Aber: es reut ihn bald die Strafe, denn Gott ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte.

Gnade. In der Tiefe seiner theologischen Bedeutung verwenden wir dieses Wort fast nur liturgisch, im Gottesdienst. Vielleicht hat es damit zu tun, dass echte Gnade nur von Gott kommt: Gnade, die unsere Sünden nicht zurechnet, die gelassen jeden Stress annimmt, den wir machen und die gütig darüber hinweg sehen lässt. Gnade, die uns nicht verloren gehen lässt. Amazing grace.

Darauf hofft, das wünscht Ihnen und Euch Pfarrerin Julia Conrad