Der Apostelbrief

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Nr. 154

Interview: 36 Jahre Kirchenvorstand

Interview

Thomas Plauk, 69 Jahre alt, Fernmeldeingenieur im Ruhestand, seit 1988 im Kirchenvorstand in Gerbrunn, davon 24 Jahre als Vertrauensmann.

Thomas, Dich braucht man eigentlich niemandem mehr vorzustellen: wer Apostelkirche sagt, meint Thomas Plauk automatisch dazu. Auch für mich warst du vor knapp drei Jahren während des Bewerbungsprozesses die Stimme und das Gesicht der Apostelkirche. Wie ist es dazu gekommen?

Ich bin in der Jugendarbeit des CVJM groß geworden. Damals hat mich Pfarrer Schindelin für die Jugendarbeit in seiner Auferstehungsgemeinde auf der Sieboldshöhe gewonnen. In den 1970-er Jahren haben wir dann mit der gemeinsamen Jugendarbeit mit Gerbrunn begonnen.

Als ich 1986 mit meiner Frau nach Gerbrunn zog, bin ich schon bald von Pfarrer Behnk gefragt worden, ob ich im Kirchenvorstand mitarbeiten will. Eigentlich ist mein Zugang zu Kirche und zu Gemeinden häufig ein musikalischer gewesen. Ich habe in verschiedenen Bands gespielt, bei Gottesdiensten und Konfirmationen, gerne und häufig auch bei katholischen Familiengottesdiensten und Erstkommunionen. Aktuell bin ich mit der Band ‚Sound und So‘ unterwegs. Auch den Ökumenischen Chor Gerbrunn habe ich mit ins Leben gerufen und anfangs geleitet. So bin ich vielfältig musikalisch vernetzt. Aber während ich musikalisch gerne in vorderer Linie stehe, entspricht dies weniger meiner Art, so auch im Kirchenvorstand. Und doch habe ich mich zum Vertrauensmann wählen lassen und verstehe dieses Amt als Vermittlungsaufgabe, durch Zuhören Handlungs- und Gesprächsbedarf zu erspüren. Die Gemeinde auch nach außen zu vertreten und den Pfarrern damit den Rücken freizuhalten, das gehörte im Laufe der Jahre auch dazu. So werde ich oft als Gesicht der Gemeinde wahrgenommen. Ich habe auch viele der Grußworte an die Konfirmierten übernommen, darunter auch die für meine eigenen beiden Kinder, was ich auch besonders gerne getan habe.

Du blickst auf 36 Jahre Kirchenvorstandsarbeit zurück. Woran erinnerst Du Dich immer noch gerne, was waren deine persönlichen Highlights?

Wenn wir KV-ler neben den normalen Sitzungen Einkehrzeit miteinander verbracht haben, dann hat mir das Kraft für den Alltag gegeben. So denke ich gerne an Einkehrtage zurück, an denen wir z.B. angeleitet gepilgert sind. Aber auch Arbeits-Wochenenden, die neue Impulse oder eine Sicht von außen auf unsere Arbeit ermöglicht haben, gehören zu meinen Highlights.

Besonders gerne erinnere ich mich an die gute Zusammenarbeit mit Ursula Humphrey als stellvertretende Vertrauensfrau im Kirchenvorstand. Es hat sich daraus eine tiefe Freundschaft entwickelt.

Und die Anfangsjahre der Pfarrei mit drei ganz unterschiedlichen Pfarrern in den achtziger-neunziger Jahren habe ich als sehr fruchtbare Zeit in Erinnerung, obwohl die Pfarrertypen so unterschiedlich waren.

Gab es auch Zeiten, in denen Du am liebsten gegangen wärst? Was hat dich durchhalten lassen?

Natürlich gab es Themen und Auseinandersetzungen, über die oft lange und auch sehr emotional debattiert wurde. Da saß ich auch manchmal zwischen den Stühlen. Aber gerade dann habe ich es als meine Aufgabe gesehen, zu vermitteln und Argumente sachlich auseinander zu dividieren, um wieder miteinander weiter gehen zu können. Mein Leitsatz für die Arbeit im KV war schon sehr bald: aufeinander hören, möglichst ohne Zeitdruck miteinander um Lösungen ringen und dann gemeinsam den neuen Weg weitergehen.

Wenn Du an Deinen Einstieg zurückdenkst und die erste mit der jetzigen Periode vergleichst – hat sich in der KV-Arbeit etwas geändert?

Ganz am Anfang wusste ich überhaupt nicht, was da auf mich zukommt: Was darf man, was darf man nicht als KV? Wenn einen dann gestandene Personen an die Hand nehmen und den Takt vorgeben, ist das zwar hilfreich – aber letztlich muss man doch die eigenen Erfahrungen machen. Vergleiche ich die KV-Arbeit vor rund dreißig Jahren mit heute, stelle ich zwei wesentliche Unterschiede fest.

Damals haben wir aus der Fülle heraus gearbeitet, konnten aus der eigenen Gemeinde vieles entscheiden, stemmen und entwickeln. Die geringer werdende Zahl der Gemeindeglieder und auch der Hauptamtlichen wirft heute (und morgen) ganz neue Themen und Fragen und auch andere Verantwortungen auf.

Und das zweite ist, dass die unterschiedlichen Pfarrpersonen, die immer auch Vorsitzende des Kirchenvorstands waren, ganz unterschiedliche Vorstellungen von Leitung und Sitzungskultur hatten.

Wie muss denn eine KV-Sitzung sein, damit Du abends nach Hause gehst und sagst: „Das hat sich gelohnt“?

Wenn ich am Ende der Sitzung das Gefühl habe, dass wir gemeinsam zu guten Lösungen bei den Tagesordnungspunkten gekommen sind, dann gehe ich zufrieden nach Hause. Dafür brauchen wir genug Zeit, um über wichtige Themen nachzudenken, zu diskutieren und dann zu entscheiden. Alle sollten in die anstehenden Entscheidungen mitgenommen werden. Zeitliche Vorgaben empfinde ich dabei eher hinderlich. Wichtige Themen sollten wir ohne Zeitdruck bearbeiten und wenn nötig auch nochmal vertagen können.

Also „Die Entdeckung der Langsamkeit“?

Lacht: Ja, wenn du so willst.

Wo erlebst du den Kirchenvorstand am wirkungsvollsten?

Z.B. beim jährlichen Kirchweihfest. Wenn wir gemeinsam ein Großprojekt stemmen und jeder mitmacht, wenn das eine Gemeinschaftsleistung ist, für die man dann auch ein Dankeschön bekommt, wenn es wieder gelungen ist.

Aber auch bei den Einkehrtagen, wenn sowas wie geistliche Zurüstung zustande kommt. Oder wenn eine Perspektive von außen, z.B. durch die Gemeindeberatung, neue Impulse geben kann.

Gibt’s von Deiner Seite noch etwas hinzuzufügen?

In den letzten Monaten und Jahren ist die Öffnung über die Gemeindegrenze hinaus immer wichtiger geworden. Ich engagiere mich sehr gerne bei „Kirche am Hubland e.V.“ und vertrete dort auch unsere Gemeinde im Vorstand. Besonders durch die ökumenische Zusammenarbeit hat diese Arbeit an Fahrt aufgenommen. Das liegt mir am Herzen.

Thomas, an dieser Stelle schon einmal Danke für Deine Zeit – in 36 Jahren und heute Abend.

Die Fragen stellte Pfarrerin Julia Conrad.