Der Apostelbrief

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Kirchenbarcamp – ein etwas anderes Veranstaltungsformat und was das mit dem Hubland zu tun hat

Autor

In diesem Artikel möchte ich das Kirchenbarcamp vorstellen. Es handelt sich dabei um ein Veranstaltungsformat, von dem ich sehr begeistert bin. Im letzten halben Jahr gab es bereits zwei Kirchenbarcamps in Würzburg. Was es damit auf sich hat und was das mit der Kirche auf dem Hubland zu tun hat, darum soll hier gehen.

Wie es dazu kam

Angefangen hat es Ende 2017 mit einem Anruf von Dr. Martin Kempen, damals Pastoralpsychologe im Bistum Würzburg. Martin war zusammen mit anderen Ehrenamtlichen und Angestellten bei der Kirche oder kirchlichen Einrichtungen in einem kleinen Kreis engagierter Katholiken, der sich mit dem Thema Innovation in der katholischen Kirche beschäftigt. Für ein nächstes Treffen dieses Kreises sollten alle Mitglieder eine Person „von außen“ einladen, die in weitestem Sinne etwas mit Innovation zu tun hat. Recht neu in Würzburg war Martin über Bekannte auf mich gestoßen und hat mich unbekannterweise eingeladen. Als Netzwerkmanager am Zentrum für Digitale Innovationen (ZDI) Mainfranken, dem neuen Gründerzentrum am Hubland, meinte er, passe ich ganz gut in den Kreis. Es war ein spannender Abend, mit einer bunten Vielfalt an innovativen Leuten, vom Geschäftsführer bis zum Unternehmensberater. Wir wurden gefragt, was möglich sei, um die Kirche etwas innovativer zu machen. So schlug ich vor, ein Barcamp zu initiieren. Das ist ein anderes Format, was es hier in der Kirche noch nicht gegeben hat. Nach einigen Erläuterungen wurde die Idee aufgenommen und sollte umgesetzt werden. Doch bis es letztlich zum ersten Barcamp kam, brauchte es noch einige Impulse. Immer mal wieder hatte ich nachgefragt, was denn aus der Idee geworden sei. Sie war nicht verworfen worden, aber es fehlte noch die Power es umzusetzen. Anfang 2019 bei einem Treffen mit Frau Franke, der damaligen Leiterin der Caritas in Unterfranken, erzählte ich von dem Kreis und der Idee des Kirchenbarcamps. Sie kannte dieses Format und war sofort Feuer und Flamme. Als ich dann noch einen Gründer eines Würzburger Startups, von dem ich wusste, dass er bei der City Church engagiert ist, von der Idee erzählte und er auch sofort dabei war, kam es Ende 2019 zu einem Treffen, um für 2020 das erste Kirchenbarcamp zu planen.

Und was ist jetzt eigentlich so ein Barcamp?

Der Name ist verwirrend. Es hat nichts mit einer „Bar“ zu tun. Dieses Format wurde 2005 im Silicon Valley geboren. Das Format grenzt sich bewusst von klassischen Konferenzen ab und wird auch als „Unkonferenz“ bezeichnet. Ein Barcamp ist eine offene Tagung mit offenen Workshops, deren Inhalte von den Teilnehmer*innen zu Beginn selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Barcamps dienen dem inhaltlichen Austausch und der Diskussion. Ich selbst hatte in Würzburg schon an drei (nicht kirchlichen) Barcamps teilgenommen und bin wirklich ein großer Fan des Formats. Zu Beginn gibt es im Plenum eine schnelle Vorstellungsrunde (ja, es ist möglich, dass sich in 10 min 80 Leute vorstellen!). Danach kommt es zur Planung der Agenda, die so genannte „Sessionplanung“: jeder/jede Teilnehmer*in kann nach vorne kommen und ein Thema vorstellen, über das er/sie sich gerne unterhalten und diskutieren möchte, oder über das er/sie etwas mehr erfahren oder was er/sie anderen Leuten erklären würde. Das geht von „Was ist eigentlich die Blockchain?“, „Wie schaffe ich es, im Alltag Ruhepausen einzulegen?“ bis zu „Wie kann Würzburg zu einer Smart City werden?“. Wenn es genug Leute im Plenum gibt, die das Thema interessiert, dann bekommt der Themengeber/die Themengeberin einen Raum und eine Zeit zugewiesen und so wird eine „Session“ nach der anderen geplant, bis alle Räume vergeben sind und die Agenda voll ist.

Jede Person kann sich so ihr Tagungsprogramm selbst zusammenstellen und sich die Themen wählen, die interessant für sie sind. Und falls die Session doch andere Inhalte hat als erwartet, wechselt man einfach in eine andere. Keiner erwartet Hochglanzvorträge, keiner eine durchgestylte Präsentation. Der Austausch auf Augenhöhe, die gemeinsame Diskussion, das Vernetzen stehen im Mittelpunkt. Man trifft interessante Personen und kommt mit unterschiedlichen Menschen schnell ins Gespräch. Es herrscht eine offene Stimmung, ein guter Spirit. Oft gehen die Gespräche in der Pause weiter. Überhaupt der Pausenbereich: die Kaffeetheke, das gemeinsame Essen an Stehtischen ist auch ein Ort der Begegnung, wo neue Bekanntschaften geschlossen werden und Diskussionen weiter vertieft werden.

Menschen zusammenbringen

Die offenen Begegnungen machen ein Barcamp aus. Deshalb war es sehr schade, als wir das eigentlich für Frühjahr 2020 geplante erste Kirchenbarcamp absagen mussten. Während des Lockdowns 2020 gab es längere Diskussionen, ob wir das Barcamp digital durchführen wollen. Letztlich haben wir uns entschlossen, nicht auf das Ende der Corona-Pandemie zu warten. Mit toller Unterstützung des Start-ups, das eine Webseite erstellt hat (www.kirchenbarcamp.de) und der IT Abteilung des Bistums, die die Videokonferenz-Plattform zur Verfügung gestellt hat, gab es im November 2020 das erste Würzburger Kirchenbarcamp. Wir waren 70 Personen, vom Studenten bis zur über 70 Jahre alten Rentnerin. Es gab zwei Runden mit jeweils sechs parallelen Sessions, in denen sich die Teilnehmer*innen 45 Minuten über Themen wie „Filme als Verkündigungsinstrument“, „Würzburg rettet Weihnachten“ oder auch die zentrale Frage „Was ist die Rolle der Kirche im 21. Jahrhundert?“ ausgetauscht haben. Das Feedback war sehr positiv: trotz des digitalen Formats kam es zu interessanten Diskussionen und spannenden neuen Erkenntnissen.

Das hat uns motiviert ein zweites Barcamp – Corona zum Trotz – im März 2021 zu starten. Wieder mit spannenden Themen und Diskussionen, z.B. „Digitale Kirche – geht das überhaupt?“, „Wie kann man es schaffen in der Gemeinde Strukturen/Umgebung zu schaffen, damit jedes Gemeindemitglied sein/ihr Potenzial entfalten kann?“, „Glaube ist wie ein Koffer ohne Griff – wie können wir ihn aus der Kirche in die Welt rausholen?“ oder „Wie kann Kirche mehr wie Amazon sein?“. Es waren zwar nur jeweils 45 Minuten und viele Diskussionen waren in vollem Gange, als die Zeit vorbei war. Aber man ist wieder ins (Glaubens-)Gespräch gekommen, hat sich mit Leuten ausgetauscht. Das ist das, was gerade in diesen Zeiten so oft auf der Strecke bleibt. Wann haben Sie das letzte Mal mit anderen, Ihnen fremden Menschen über die Kirche, Ihren Glauben gesprochen? Auch im Kirchenvorstand bleibt oft wenig Zeit oder es fehlt der Rahmen für solche Diskussion und Gespräche. Im Barcamp war das möglich, auch trotz der digitalen Barriere. Und was ich noch besonders finde: über die konfessionellen Grenzen hinweg. Das war auch das gemeinsame Feedback in unserem Organisator*innen-Kreis: es hat Spaß gemacht, dieses Event zusammen zu planen und durchzuführen. Ein Team aus Katholischen, Evangelischen, Ordensleuten und der City Church. Alle mit dem gleichen Spirit: Menschen zusammenbringen und gemeinsam über die Kirche und den Glauben sprechen.

Wie geht es weiter?

Wir hoffen alle, dass die Pandemie bald vorbei ist und wir auch endlich mal ein Kirchenbarcamp in Präsenz durchführen können. Das wird, was die Vernetzung und das Kennenlernen angeht, sicher nochmal intensiver. Ich selbst habe beim zweiten Barcamp eine Session mit dem Thema „Kirche am Hubland“ angeboten. Hintergrund ist, dass in diesem neu entstehenden Stadtteil Kirche noch keine richtige Präsenz hat. Ich finde diesen Stadtteil sehr spannend. In kürzester Zeit werden dort 4000-5000 Menschen hinziehen.

Die Nähe zu den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, das gut besuchte ehemalige Landesgartenschaugelände, die tolle Stadtteilbücherei, die entstehenden Hausgemeinschaften und auch die innovativen Unternehmen machen das Hubland besonders. Warum hier nicht auch Kirche mal ein bisschen anders denken? Dabei denke ich nicht an ein neues Kirchengebäude. Kirche hat für mich viel mit Gemeinschaft, mit Begegnung mit Menschen zu tun, das Treffen von Gleichgesinnten, ein Mit-offenen-Armen-empfangen-Werden, dicht dran an den Menschen.

Wie die Session beim Barcamp gezeigt hat, bin ich nicht der einzige, der so denkt. Viele Teilnehmer*innen der Session haben das Hubland als ein Areal gesehen, auf dem man etwas Besonderes machen könnte und sollte. Ein Förderprogramm der Landeskirche könnte hier gut passen: das Projekt m.u.t. . Die Kirche betritt hier neue Wege. Sie vergleicht diese Fördermittel mit Risikokapital. Das kenne ich aus meiner Arbeit mit Start-ups. Und genau das finde ich auf der Webseite von m.u.t wieder (https://mut-elkb.de/): „Ein Start-up in der Kirche – wie könnte das aussehen?“ steht da. Aber auch: „Wie sieht Dein Traum von Kirche aus?“, „Wann hat Kirche Dich das letzte Mal begeistert?“, „Was würdest Du an der Kirche ändern, wenn Du einen Wunsch frei hättest?“ oder „An welchen Orten sollte Kirche auftreten?“.

Spannend! Da passt das Hubland doch rein, wenn man dort mal Kirche etwas anders denkt und ein „Start-up in der Kirche“ gründen möchte. Worauf ich bei meiner Arbeit mit den Start-ups immer sehr achte, ist: Frag Deine Nutzer*innen, was sie wollen! Und da kommt das Barcamp ins Spiel. Schon in meiner Session beim letzten Barcamp ist die Idee geboren, doch ein eigenes „Hubland-Barcamp“zu machen und dazu alle „Hubländer*innen“ und Nachbargemeinden einzuladen. In den Sessions können dann verschiedene Themen um „Kirche am Hubland“ diskutiert und gemeinsam Ideen kreiert werden.

Auch das Organisationsteam war sofort damit einverstanden, das nächste Barcamp als „Sonderedition Hubland“ zu organisieren. Ich wünsche mir ein Präsenzbarcamp im Sommer auf der LGS-Wiese, auf dem sich Leute kennenlernen, gemeinsam Wünsche formulieren und vielleicht auch Ideen entstehen, wie die Präsenz der Kirche auf dem Hubland aussehen kann.

Über Grenzen hinweg im „Tandem“ denken

m.u.t. ist eine Abkürzung. Sie steht für missional, unkonventionell, tandem. Hier die Erklärung dazu von der m.u.t.-Webseite:

Gerade in dem „Tandem“ sehe ich eine große Chance für das Hubland. Das Barcamp hat gezeigt, dass Kirche über Konfessionsgrenzen hinweg funktioniert und Menschen zusammenbringt. Ich sehe die Möglichkeit das Hubland zum Leuchtturm in der Region zu machen für eine überkonfessionell agierende Kirche.

Und was ist mit der Apostelkirche Gerbrunn?

Das Hubland gehört von den Gemeindegrenzen her nicht mal zu unserer Subregion, sondern zu St. Johannis. Die Apostelkirche ist wie die Auferstehungskirche auf der Keesburg und die Martin-Luther-Kirche Anrainer des Hublands. Viele von uns sind regelmäßig dort zum Spazierengehen oder Einkaufen. Die Kinder vom Hubland werden demnächst wahrscheinlich in die Grundschule Gerbrunn gehen. Wir wachsen immer mehr zusammen.

Der Zukunftsprozess „Profil und Konzentration“, PuK, der bayerischen Landeskirche hat zum Ziel, dass man nicht nur auf seinen Kirchturm, sondern auch über die eigenen Gemeindegrenzen hinweg auf den Sozialraum schaut und macht die gute Vernetzung der Gemeinden untereinander und in der Ökumene zum Qualitätsmerkmal. In diesem Sinne sehe ich das Hubland auch als Möglichkeit, wie wir uns als Nachbargemeinden evangelisch und katholisch vernetzen und zusammenarbeiten können, z.B. indem wir uns beim Barcamp im Sommer besser kennenlernen und gemeinsame Ideen kreieren, wie eine zeitgemäße Kirche in Würzburg Ost aussehen kann.

Christian Andersen


m.u.t.