Der Apostelbrief

Februar - März 2020
Voriger Apostelbrief
Dez. 2019 - Jan. 2020
Nr. 138
Nächster Apostelbrief
Apr. - Mai 2020
Beliebigen Apostelbrief wählen ...
1997:

1998:

1999:

2000:

2001:

2002:

2003:

2004:

2005:

2006:

2007:

2008:

2009:

2010:

2011:

2012:

2013:

2014:

2015:

2016:

2017:

2018:

2019:

2020:
138

2021:

2022:

2023:

2024:

Preis der Freiheit

Autor

Es haben wohl noch nie in der Geschichte Menschen so viele Wahlmöglichkeiten gehabt, wie wir heute in der westlichen Welt. Während Söhne früher selbstverständlich den Beruf des Vaters ergriffen haben und Mädchen ebenso selbstverständlich geheiratet und Kinder bekommen haben, können junge Menschen heute sehr viel freier entscheiden, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Dasselbe gilt für Religion und Weltanschauung: Jeder und jede kann glauben, was er oder sie will, oder auch gar nichts.

Diese Freiheit ist aber auch anstrengend. Ich darf mich nicht nur für einen Beruf entscheiden, ich muss mich entscheiden. Meine Lebenspartnerin oder meinen Lebenspartner sucht nicht mehr die Familie aus – auch da muss ich selber Entscheidungen treffen.

Die Freiheit in Fragen der Weltanschauung hat auch dazu geführt, dass es in vielen Fällen keinen Konsens mehr darüber gibt, was gesellschaftlich akzeptabel ist und was nicht. „Anything goes“ – alles ist erlaubt. Nicht einmal die Gesetze bilden heute noch einen allgemein anerkannten Rahmen für unser Handeln. Die zunehmende Zahl von Angriffen gegen Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute, Sanitäterinnen und Sanitäter schockiert zu Recht viele Zeitgenossen – aber eben nicht alle.

Aber auch im Kleinen nimmt die Aggression zu. Der Ton im öffentlichen Raum und vor allem im Internet wird rauer.

Als Christinnen und Christen fragen wir uns immer wieder, was wir da tun können. Eine Strategie wäre es, sich aus der Welt zurückzuziehen und allen Konflikten auszuweichen.

Als Jesus seine Jünger aussendet, damit sie eigene Erfahrungen in der Verkündigung und bei der Heilung von Kranken machen können, sagt er ihnen: „Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ (Mt. 10,16).

Als Christen haben wir ein paar ziemlich eindeutige Orientierungspunkte dafür „was geht und was nicht“: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und ist dadurch unendlich wertvoll. Das hat Konsequenzen für unseren Umgang untereinander. Jeder Mensch wird aber auch immer wieder an Gott und seinen Mitmenschen schuldig. Gott bietet uns Vergebung unserer Schuld an und so sollen auch wir barmherzig mit unseren Mitmenschen umgehen, wenn sie schuldig werden. Und Gott hat uns die Welt gegeben, um sie zu „bebauen und zu bewahren“, nicht um sie auszuschlachten und zu ruinieren.

Die Warnung Jesu an seine Jünger mahnt uns allerdings, diese Erkenntnisse nicht naiv jedermann überstülpen zu wollen. Einerseits sollen wir unseren Verstand gebrauchen, um zu erkennen, was in einer Situation möglich und hilfreich ist. Andererseits, und dass ist genauso wichtig, sollen wir offen und ehrlich reden und handeln. Denn nur so können wir unseren Mitmenschen vermitteln, welche Chance darin steckt, Gott in die Gleichung des eigenen Lebens zu integrieren.

-pv-