Der Apostelbrief

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Klinikseelsorge
Klinikseelsorge

Ein Gespräch mit Pfarrer Martin Renger, langjährig hauptberuflich tätig im Team der Klinikseelsorge der Uniklinik Würzburg:

Wie sind Sie zur Klinikseelsorge gekommen?

Die seelsorgerische Arbeit lag mir von Beginn an besonders am Herzen. Im Anschluss an das Theologiestudium habe ich ein Seelsorgejahr absolviert. Anschließend war ich als Gemeindepfarrer zusätzlich als Seelsorger am Juliusspital, später dann einige Jahre im Kreiskrankenhaus in Kitzingen. Dort wurde vom kommunalen Träger eine konfessionell seelsorgerische Betreuung schwerkranker Patienten, bei Bedarf aber auch ausdrücklich des Personals initiiert, bestehd aus einem evangelischen Pfarrer und einem katholischen Kollegen. Inzwischen bin ich seit vielen Jahren hauptamtlich als Klinikseelsorger im Seelsorgeteam der Uniklinik Würzburg und dort u.a. auch verantwortlich für die überregionale „Ausbildung“ zum Seelsorger.

Welche Aufgaben hat ein Klinikseelsorger?

Seelsorge ist ein optionales Angebot an alle Patienten unabhängig von Religionszugehörigkeit und steht auch konfessionslosen Patienten zur Verfügung. Zu betonen ist, dass ein Seelsorger kein Therapeut ist. Er muss keinen Therapieplan oder Therapieverlauf erstellen. Es geht ums Zuhören, darum, offen zu sein für das was Menschen in ihrer aktuellen Situation bewegt. Und das ohne Zeitdruck. Im Kranksein werden oft andere, existentielle Themen wichtig. Oder es kommen belastende und beängstigende Erinnerungen hoch, die im bisherigen Alltag verdrängt wurden. In diesen Situationen kann ein seelsorgerisches Gespräch entlastend wirken. Gar nicht selten ist es einfacher sich einem „Fremden“ anzuvertrauen, der zudem der Schweigepflicht unterliegt.

In Gesprächen mit konfessionslosen Patienten kommen dann häufig die Gründe, die zum Bruch mit Kirche und/oder Glauben geführt haben, offen zur Sprache.

Diese seelsorgerischen Gespräche machen den größten Teil der Einsätze im Rufdienst aus.

Oft geht es um individuelle Begleitung schwerstkranker/sterbender Patienten und ihrer Angehörigen. Da zu sein, zuzuhören, miteinander zu beten, Abendmahl zu feiern usw. Diese Angebote stehen im Rahmen einer Rufbereitschaft rund um die Uhr 365 Tage im Jahr zur Verfügung.

Manchmal gibt es Situationen in denen einem auch als Seelsorger die Worte fehlen, man besser nichts sagt und einfach nur da ist.

Es gibt aber auch Gemeinschaftsangebote wie Gottesdienste oder z.B. ein meditatives ökumenisches Mittagsgebet einmal wöchentlich. Hierfür stehen verschiedene sakrale Räumlichkeiten, z.B. im ZOM ein „Raum der Stille“ zur Verfügung. Gottesdienste etc. können von jedem Patientenzimmer aus über einen eigenen Klinikkanal im Fernsehen verfolgt werden.

Welchen Stellenwert hat die Seelsorge an der Uniklinik?

An sich erfährt die Seelsorge hier eine hohe Wertschätzung. Allerdings muss sie sich auch immer wieder aktiv bemerkbar machen. Denn an sich würde der gesamte medizinische Betrieb Uniklinik auch ohne sie „funktionieren“. Ein Abbau der Seelsorge ist derzeit hier aber nicht zu befürchten.

Das gut eingespielte ökumenische Team der Klinikseelsorge der Uni Würzburg besteht aus insgesamt 6 katholischen und evangelischen PfarrerInnen, weiteren 9 SeelsorgerInnen und daneben ehrenamtlichen Mitarbeitern. Grundsätzlich ist die Rufbereitschaft mit einer Person (evangelisch oder katholisch) besetzt, was in den meisten Fällen akzeptiert wird.

Falls ausdrücklich erbeten (z.B. Erteilung von Sterbesakramenten, oder Abendmahl), gelingt es meistens den gewünschten speziellen konfessionellen Beistand zu organisieren.

Der Kontakt wird in erster Linie über das Pflegepersonal hergestellt, aber auch eine direkte Kontaktaufnahme durch Patienten/Angehörige ist möglich. Gelegentlich kommt es vor, dass Gemeindepfarrer um Besuch bei einem im Krankenhaus befindlichen Gemeindemitglied gebeten werden.

Personal (Pflegekräfte und Ärzte) stünde seelsorgerischer Beistand selbstverständlich ebenfalls offen, wird aber selten – zu selten? – genutzt. Wenn, dann eher nebenbei „zwischen Tür und Angel“.

Pfr Renger berichtet von einem Erlebnis auf einer Intensivstation, dass ihm in Erinnerung geblieben ist: Er wurde gerufen, nachdem gerade ein Patient nach sehr kurzer schwerer Erkrankung verstorben war. Dessen Tochter war, von Fassungslosigkeit, Schmerz und Trauer überwältigt, ganz außer sich und klagte sowohl Gott als auch ihn als kirchlichen Vertreter an, als er dazukam. Von dem Angebot am Totenbett einen Segen und ein Gebet zu sprechen wollte sie daher erst nichts wissen. Erst in dem Moment, als er sich schon nahezu verabschiedet hatte, willigte sie doch ein. Tatsächlich tat ihr die gemeinsame Zeit am Bett ihres verstorbenen Vaters gut und sie konnte sich beruhigen.

Gibt es einen Unterschied, wie gläubige oder nichtgläubige Patienten mit schweren Erkrankungen umgehen?

Den Eindruck habe er tatsächlich. Glaube kann in so einer Situation eine wichtige Ressource sein Kraft zu schöpfen. Allerdings ist das sehr abhängig vom persönlichen Gottesbild. Wenn dieses nicht – wie meistens – das eines versöhnenden, gnädigen Gottes ist, sondern das eines strafenden, spielen Themen wie Sünde / Schuldgefühle eine wichtige Rolle. Nach dem Motto, „was habe ich getan um diese Krankheit erleiden zu müssen“. Wichtig ist es in dieser Situation den Menschen mit seinen Ängsten und Schuldgefühlen ernst zu nehmen und diese nicht kleinzureden.

Wie gehen Sie mit dem um, was Sie im Bereich der Seelsorge erleben, oft ja schwer zu ertragende Schicksale? „Stumpft“ man mit der Zeit ab?

Wichtig ist eben genau nicht abzustumpfen, sondern „durchlässig“ zu sein, um auf den Anderen eingehen zu können.

Um dies immer wieder über Jahre zu schaffen, gibt es sowohl Team- als auch Einzelsupervisionen, in denen schwierige, besonders belastende Situationen aufgegriffen werden. Diese Supervisionen sind sehr wichtig und unerlässlich zum Wohl der eigenen seelischen Gesundheit. Letztlich wie eine Art „Wartung“ der Seele auch um sicherzustellen, dass man den Anforderungen und immer wieder neuen emotionalen Belastungen gewachsen ist, vereinbar mit den TÜV-Prüfungen beim Auto.

Vielen Dank Herrn Pfarrer Renger für die interessanten, schlaglichtartigen Einblicke in die wichtige Arbeit der Klinikseelsorge, die vielen Menschen in schwierigen, krisenhaften Lebenssituationen zur Seite steht und in deren Organisation an einer so großen Klinik wie der Uniklinik Würzburg.

-SH-


Wer sich näher über Angebote und Kontaktmöglichkeiten informieren möchte, dem sei z.B. die Internetseite
www.ukw.de/zentrale-einrichtungen/seelsorge
empfohlen.