Der Apostelbrief

Dezember 2017 - Januar 2018
Voriger Apostelbrief
Okt. - Nov. 2017
Nr. 125
Nächster Apostelbrief
Feb. - Mrz. 2018
Beliebigen Apostelbrief wählen ...
1997:

1998:

1999:

2000:

2001:

2002:

2003:

2004:

2005:

2006:

2007:

2008:

2009:

2010:

2011:

2012:

2013:

2014:

2015:

2016:

2017:
125

2018:

2019:

2020:

2021:

2022:

2023:

2024:

Auf ein Wort

Autor

Die halbe Wahrheit

Liebe Gemeinde,

mit dem Reformationsfest am 31.10.17 war der Höhepunkt des Reformationsjubiläums erreicht. Vielleicht Zeit, ein ganz subjektives Fazit aus Sicht eines Theologen zu ziehen. Es gab unglaublich viele Veranstaltungen, Fahrten, Austellungen, Feste, Konzerte. Und natürlich gab es Reden und Predigten ohne Ende. Was mir aufgefallen ist: Die theologischen Erkenntnisse Luthers wirkten oft merkwürdig weichgespült und banalisiert. Da wurde sein Mut gerühmt, sich gegen die herrschenden Autoritäten auf sein Gewissen zu berufen, gegen die Käuflichkeit des Heils durch Ablässe angekämpft zu haben und den gnädigen Gott wiederentdeckt zu haben, der uns alle liebt, weil wir ja seine Ebenbilder wären. Ganz schnell war man dann bei der Frage, was der Glaube an den gnädigen Gott uns in unserer heutigen Welt zu sagen haben könnte. Einer Welt, in der nur der etwas gilt, der jung ist, etwas leisten kann und am besten auch noch schön ist.

Selten bis nie hörte ich etwas davon, dass nach Luther die Gnade Gottes nötig sei, weil wir in heilloser Ferne von Gott leben. Und ebenso wenig, dass diese Gnade durch Bejahung der eigenen Heillosigkeit und den Glauben an Christus bei uns ankommen muss. Neben das Prinzip des „solagratia“, „allein aus Gnade“ , stellte er die Grundsätze „sola fide“, „allein aus Glauben“ und „propter christum“, „um Christi willen“. Und wodurch entsteht dieser Glaube, der nach Luther allein heilswirksam ist?

„So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi,“ schreibt Paulus im Römerbrief, dessen Lektüre Luthers reformatorische Wende eingeleitet hatte.

Das verschwieg man verschämt. Vielleicht, weil überdeutlich ist, dass sich immer weniger diesem gepredigten Wort aussetzen und der Glaube damit weiten Teilen der Bevölkerung abhanden kommt. Statt - wie die Reformatoren - zu diesen biblischen Grundlagen zurückzurufen, tut man lieber so, als reiche schon die Tatsache, dass wir Menschen seien, um mit Gottes Gnade und Heil beglückt zu werden. Für Luther aber war klar: Allein durch den Glauben werden wir vor Gott gerecht. Wenn neben all der netten Luther Folklore diese Wahrheit bei einer gewissen Anzahl von Menschen angekommen wäre, dann hätte sich dieses Jubiläum gelohnt.

Ihr Pfr. J. Riedel