Der Apostelbrief

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Unterwegs

Autor

Was wäre, wenn Jesus von Nazareth damals in Kapernaum eine Reformgemeinde gegründet hätte? Freitag abends und Samstag vormittags hätten die Türen offen gestanden und jedem und jeder, die hereingekommen wäre, hätte Jesus von Gottes Reich erzählt, das kommt und doch schon da ist. Es hätte vielleicht Werbeflyer auf kleinen Tontäfelchen gegeben, die überall in der Stadt verteilt worden wären und an jedem zweiten Sabbat hätte es Synagogenkaffee gegeben. Vermutlich hätte sich eine kleine, treue Gemeinde gebildet, die ihrem Rabbi bis zu seiner Pensionierung treu verbunden geblieben wären. Aber wir wüssten heute nichts mehr davon, weil die Gemeinde und ihr Gründer schon lange vergessen wären.

Aber so hat Jesus es nicht gemacht. Stattdessen ist er dort hingegangen, wo die Menschen sowieso waren: an ihrem Arbeitsplatz, auf dem Markt, in den Stadttoren, in den Synagogen. Dort hat er ihnen dann seine Botschaft verkündet.

Die Kirchen stehen heute vor demselben Problem wie alle anderen großen Organisationen, wie Parteien, Gewerkschaften oder Vereine: die Menschen kommen nicht mehr und wenn sie kommen, wollen sie sich nicht mehr langfristig binden. Jahrhunderte lang hat es funktioniert, wenn die Kirchen gesagt haben „Sonntag vormittags sind wir da und wer kommen will, darf das gerne tun.“ Seit etwa zwei Generationen funktioniert das nicht mehr.

Dabei hätte die Kirche auf der Basis der biblischen Botschaft einiges zu den aktuellen Fragen der Gesellschaft zu sagen: Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft, Umgang mit den Fremden, die zu uns kommen, Umgang mit Geld und Besitz und andere mehr.

Aber dort wo die Kirche darauf wartet, dass die Menschen zu ihr kommen, wird ein zunehmender Anteil der Bevölkerung nie die befreiende und belebende Botschaft des Evangeliums hören.

So wird mancherorts diskutiert, ob man Geflüchteten das Evangelium verkünden darf, weil dann die Gefahr bestünde, dass sie es für sich annehmen und damit aus ihrer angestammten Kultur herausfallen.

Aber am Ende des Matthäus-Evangeliums heißt es „Gehet hin in alle Welt“ und nicht „Wartet, bis die Welt zu euch kommt“. Viele Christinnen und Christen haben das verstanden und gehen aus den Kirchen und Gemeindehäusern heraus, dorthin, wo die Menschen sind. Die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern hat auf ihrer Frühjahrssynode in Coburg einen Reformprozess unter der Überschrift „Profil und Konzentration“ gestartet. Eins der Anliegen dieses Prozesses ist es „stärker auf die Menschen in ihren Lebenssituationen zuzugehen.“

Man darf gespannt sein.

-pv-