Der Apostelbrief

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Glück gehabt

Autor

Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter berichtet Jesus von einem Menschen, der Opfer eines Raubüberfalls wird. Nackt und halb tot lassen die Räuber ihr Opfer am Straßenrand liegen.

Die ersten Passanten übersehen das Opfer geflissentlich. Sei es, dass sie Angst vor einem Hinterhalt haben, oder dass sie wichtige Termine haben, oder dass sie grundsätzliche Vorbehalte dagegen haben, einen Verletzten zu berühren – am Ende hat er AIDS.

Schließlich kommt ein Samariter, das heißt ein gesellschaftlicher Außenseiter, vorbei. Der hat Mitleid mit dem Überfallenen und versorgt ihn mustergültig. Vielleicht hat er auch verstanden, dass es pures Glück war, dass nicht er an der Stelle des Opfers war.

Wir haben das große Glück in Europa, in Deutschland zu leben. Selbst dem Ärmsten von uns geht es viel besser als dem Durchschnitt der Weltbevölkerung. Diejenigen, die hier geboren wurden, hatten einfach Glück! Genauso gut hätten wir in ein Dorf in Bangladesch oder in eine Favela in Südamerika hineingeboren werden können.

In den letzten Monaten kommen vermehrt Menschen nach Europa und Deutschland, die ihre Heimat verlassen haben, weil sie dort um Leib und Leben fürchten müssen, oder weil sie dort einfach keine Perspektive mehr für ihr Leben sehen.

Das bringt Christen in ein Dilemma. Denn sowenig wir die Probleme der ganzen Welt lösen können, so nagt doch das Bild von dem selbstlosen Samariter an unserem Gewissen, der nicht nur praktisch hilft, sondern auch noch die weiteren Behandlungskosten seines Schützlings übernimmt.

Wir können die Welt nicht retten, aber der barmherzige Samariter konnte auch nicht die Straße zwischen Jericho und Jerusalem von Räubern befreien. Vorher und nachher sind sicher zahllose Menschen auf dieser unübersichtlichen Bergstraße überfallen worden. Aber dem einen Menschen, der vor seinen Füßen lag, dem hat der Samariter geholfen und ist ihm so zum Nächsten geworden.

Wir können das Flüchtlingsproblem insgesamt nicht auf die Schnelle lösen. Aber vielleicht begegnen wir einem Geflüchteten oder einer Familie, die zu uns gekommen sind und denen wir konkret helfen können. Vielleicht können wir mit Möbeln oder Haushaltsgegenständen aushelfen. Vielleicht können wir die Familie bei der Kinderbetreuung oder beim Deutsch lernen unterstützen.

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter lehrt uns, dass wir unseren Mitmenschen dort helfen sollen, wo sie uns begegnen und mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

-pv-