Der Apostelbrief

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Männer in der Kirche

Derzeit leben in Deutschland ca. 82 Millionen Menschen. Der Frauenanteil beträgt 51%. 24,2 Millionen aller Bundesbürger sind Mitglieder in der Evangelischen Kirche in Deutschland, 45% davon sind Männer. Im kirchlichen Dienst sind 25% aller hauptamtlich Beschäftigen Männer, davon sind zwei drittel Pfarrer. Ehrenamtlich sind in der Kirche nur 30% Männer tätig.

Wo kommen nun die Männer in der Kirche vor? Überwiegend sind Männer noch im Pfarramt, in den Kirchenleitungen und in den Kirchenvorständen aktiv. Sie leiten, führen und organisieren zusammen mit den Frauen die großen und kleinen Angelegenheiten der Kirche. Im gemeindlichen Alltag tauchen Männer dagegen weniger auf. Hier kümmern sich deutlich mehr Frauen z.B. um die Kinder- und Jugendarbeit, den Kindergottesdienst, die Besuchskreise und die Seniorenarbeit. In unserer Gemeinde engagieren sich Männer neben dem Kirchenvorstand (50 % Männer), beim Computerstammtisch, dem Kirch- und Kindergartenbauverein, den Gottesdiensten in der Seniorenanlage und dem Redaktionsteam des Apostelbriefes. Männer scheinen sich also immer dann in das gemeindliche Leben einzubringen, wenn es etwas zu organisieren oder praktisch umzusetzen gibt. Das soziale Engagement überlassen sie dagegen eher den Frauen.

Im Folgenden nun ein Versuch sich der Frage anzunähern, warum sich wohl weniger Männer als Frauen am Gemeindeleben aktiv beteiligen? Anekdotisch wird dies von einem Autor in einem Beitrag des evangelischen Online-Magazins Chrismon.de „Die Männer und die Gretchenfrage“ versucht aufzuarbeiten. Sein erster Gedanke ist, dass die Wirklichkeit von Männern in der Kirche kaum vorkommt. Die Lebenswelt der gegenwärtigen „Arbeit“ spielt in den Gottesdiensten und insbesondere in der Verkündigung eine nur geringe Rolle.

Ein weiterer Erklärungsversuch, warum sich Männer der Kirche verweigern, ist das Problem mit der „gestalteten Mitte“. Männer mögen diese nicht, da man meist in der Form einer Vorstellungsrunde mit Menschen, die man kaum kennt, sich existentiell, spirituell und möglichst authentisch vorstellen soll. David Murrow, Autor des Buches „Why Men Hate Going To Church“, bringt es auf den Punkt. In der Kirche werden Beziehungen auf weiblichem Weg aufgebaut. Wir setzen Menschen in Kreise und bitten Sie, dass Sie etwas von sich mitteilen. Männer bauen jedoch überwiegend Beziehungen auf, wenn sie etwas entsprechend ihrer Lebenswirklichkeit praktisch tun.

Und schließlich ein dritter Erklärungsversuch, warum so wenige Männer in die Gottesdienste kommen. Männer mögen die „Lasst uns“-Floskeln nicht. Man hört Sätze wie z. B. lasst uns die Schöpfung bewahren, lasst uns Gerechtigkeit üben oder lasst uns vergeben so inflationär in Predigten, Gebeten und Fürbitten, dass sie jede Kraft verloren haben, die reale Welt wirklich zu ändern. In einer Männerstudie von Engelbrecht und Rosowski („Was Männern Sinn gibt – Leben zwischen Welt und Gegenwelt“) wird festgestellt, dass in dieser moralischen Unterscheidung zwischen säkularer Welt und religiösem Anspruch der Kirche ein zentraler Grund liegt, warum Männer Distanz zur Kirche halten.

Dennoch haben sich wohl in den letzten zehn Jahren die Männer wieder emotional der Kirche angenähert. In der Studie „Männer in Bewegung“ (2008) von Paul Zulehner (Katholischer Pastoraltheologe) und Reiner Volz (Leiter der Männerarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland) hat sich die Kirchenverbundenheit von Männern in einem Zeitraum von 1998-2008 von 16% auf 29% signifikant erhöht. Männer seien wieder sensibler für Religiosität und Spiritualität. Die Gesamtzahl der kirchlicherseits ansprechbaren und motivierbaren Frauen ist deutlich schwächer geworden (1998: 53%, 2008: 43%) während die der Männer von 37% auf 39% angestiegen ist. Mehr Männer reden wieder über religiöse Themen mit anderen Männern. Mehr Männer als Frauen kritisieren, dass die Kirche zu wenig für das Gefühl und für das religiöse Empfinden tue. Auch ist in diesen zehn Jahren das Gefühl angewachsen, in der Kirche eine Heimat zu haben. Bei den Männern hat sich dies von 11% auf 20% fast verdoppelt während es bei Frauen nahezu gleich geblieben ist. Der in dieser Studie beschriebene subjektiv wahrgenommene Einfluss der Kirche auf das Leben ist in den zehn Jahren angewachsen. Einen eher positiven Einfluss erlebten 1998 nur 28% der Männer während es 2008 bereits 49% waren. Bei den Frauen stiegen die Werte von 34% auf 46%. Als eine der wesentlichen Ursachen für diese positive Entwicklung hinsichtlich der Zuwendung zur Kirche wird von den Autoren der Studie vermutet, dass die Kirchen generell ihre Arbeit verbessert bzw. Besser vermarktet haben und die Menschen zunehmend spüren, dass die Kirchen für das öffentliche und private Leben eine gute Kraft sind. Besonders positiv scheint sich das bei den Männern auszuwirken.

Männer

Kommen nun wieder mehr Männer in die Kirche? Die evangelischen und katholischen Männerarbeiter Martin Rosowski und Andreas Ruffing stellen fest, dass der Gesprächsfaden zwischen der Kirche und den Männern nicht abgerissen ist. Zu einem echten Dialog kommt es aber erst, wenn die neue religiöse und kirchliche Offenheit der Männer auf eine neue Offenheit der Kirche für das Leben und die Bedürfnisse der Männer trifft. Ich denke, dass wir in unserer Kirchengemeinde diese Annäherung durchaus in manchen Inhalten der Predigten erleben, auch wenn die Auswahl der Predigttexte durch die Landeskirche zu viele Wiederholungen beinhaltet. Auch werden bei uns die Männer in das „praktische Gemeindeleben“ wie z.B. in die Organisation des Kirchweihfestes sehr gut eingebunden.

Zum Abschluss noch ein paar Zahlen aus einem Vortrag von Tabea Spieß mit dem Thema „Männer in Kirche und Gemeinde“ (2013), die den Istzustand des Verhältnisses Männer und Kirche derzeit beschreiben: Sehr bzw. ziemlich verbunden mit der evangelischen Kirche fühlen sich 32% der Männer und 43% der Frauen.

60% der Männer und 80% der Frauen beten.

66% der Männer und 55% der Frauen besuchen seltener oder nie den Gottesdienst. Von den kirchlich sehr aktiven Männern bezeichnen sich 12% als nicht religiös, bei den Frauen sind dies 8%.

-HS-

Quellen:
www.geistreich.de/articles/325
chrismon.evangelisch.de/artikel/2011/die-maenner-und-die-gretchenfrage-11219
www.ekd.de/si/download/Maenner_in_Kirche_Gemeinde.pdf