Der Apostelbrief

Juli - September 1997
Nr. 03
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Okt. - Nov. 1997

Zu Höherem begabt


daVinci

Sind Sie begabt? Nein? Boris Becker spielt besser Tennis, Pavarotti singt besser und so klug wie Einstein sind Sie auch nicht? Also unbegabt? Der Apostel Paulus war da optimistischer: »In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen anderer« (1. Kor. 12,7). Anders ausgedrückt: Gott gibt jedem Christen Gaben, die die Gemeinde brauchen kann - jedem! Aber natürlich hat nicht jeder die gleichen Gaben. Paulus vergleicht die Gemeinde mit einem Körper: Christus ist das Haupt, während wir uns in die übrigen Körperfunktionen teilen. Daß auch und gerade die kleinen und unscheinbaren Organe für das Wohlbefinden des ganzen Menschen wichtig sind, wird jeder Diabetiker gerne bestätigen, dessen Bauchspeicheldrüse ihren Dienst versagt.

Die Amtsträger der Kirche können dem »normalen« Christen allerdings gelegentlich auch den Eindruck vermitteln, die verantwotlichsten Aufgaben, die man ihm zumuten könne, sei das Stühle rücken und Bierbänke schleppen beim Kirchweihfest. Ohne theologisches Diplom oder zumindestens eine Bibelschulausbildung ist da nichts zu machen - oder doch?

Die Zeiten ändern sich. Die »Dienstleistungskirche« mit dem Rundumservice von der Wiege bis zur Bahre wird es angesichts leerer Steuerkassen zunehmend schwer haben. Immer weniger Hauptamtliche bedeuten eine Aufwertung ehrenamtlicher Tätigkeit, wie in den Freikirchen seit langem üblich. Dabei müssen allerdings alle an einem Strang ziehen: die Gemeindeglieder müssen sich, zumindestens wenn ihnen das Wohl ihrer (Apostel)Gemeinde am Herzen liegt, fragen, wo ihre spezifischen Gaben für die Gemeinde liegen. Kann ich reden oder besser zuhören? Kann ich anderen etwas beibringen oder bin ich eher handwerklich begabt? Kann ich eher mit jungen oder eher mit älteren Menschen umgehen? Aber auch: wo klemmt's in der Gemeinde, was müßte getan werden?

Auf der »anderen Seite« sind die Verantwortlichen der Gemeinde, z.B. Pfarrer und Kirchenvorstand gefordert: Ideen aus der Gemeinde müssen sich entwickeln. Dabei ist weder ein »was das wieder kostet« noch ein »das müßten Sie dann aber schon selber machen« besonders hilfreich. Gemeindeleitung nach dem »Körperprinzip« bedeutet vielmehr, eine Vermittlungsstelle für Ideen und Talente (=Gaben) zu sein.

Wir kommen aneinander nicht vorbei, wenn wir am Reich Gottes mitbauen wollen, so wie die Hand das Auge braucht, um zu sehen, was sie tut. Und auch wenn es im Gerbrunner Gemeindealltag gelegentlich kaum zu erkennen ist: »Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von Euch ein Glied« (1. Kor. 12,27)

Eigentlich allerhand.

-pv-